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LEHRBUCH
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DER
ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
DES
MENSCHEN UND DER WIRBELTHIERE.
VON
DR. OSCAR HERTWIG,
O. Ö. PROFESSOR DER AKATOMIE UKD -VEKGLEICnFNDKN ANATOMIE, DIRECTOR DES AXATOMISCHEN
INSTITUTS DER UNIVERSITÄT JENA.
ZULEITE VEBMEHRTE VND YEBBESSEJRTE AUFLAGE.
MIT 304 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 2 LITHOGEAPHISCHEN TAFELN.
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JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1888.
Verlag roii Griistay Fischer in Jena.
Im März 1888 erscheint:
Dr. Philipp Stöhr,
a. 0. Professor der Anatomie an der Universität zu Würzburg.
Lehrbuch der Histologie
und k mikroskopischen Anatomie des lensckn
mit Einschluss der
mikroskopischen Technik.
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage.
Mit 209 Figuren in Holzschnitt. Preis: broschiert 7 Mark, gebunden 8 Mark.
Deutselie Mediciualzeituilg 1887, !No. 6 sagt über die erste Auflage : Wir begrüssen in dem vorliegenden Werk eine wertvolle Bereicherung der litterarischen Hilfsmittel für den angehenden Mikroskopiker. Dasselbe zerfällt in 2 Abschnitte, den ersten, welcher die Technik enthält, den zweiten, der die miki'oskopische Anatomie und die specielle Technik behandelt. Im ersteren hat sich der Verf. eine weise Be- schränkung aufgelegt, indem er nur eine kleine Anzahl erprobter Methoden vorführt, die aber für das Bedürfnis des mikroskopirenden Studenten und Arztes völlig aus- reichen.
Die Unzahl der vorhandenen, noch fortwährend lawinenartig anwachsenden Be- handlungsarten, wie sie in manchen Lehrbüchern ohne begleitende Kritik vorgeführt werden, kann ja nur verwirrend auf die Anfänger wirken.
Der zweite Theil enthält kurz die mikroskopische Anatomie, ohne Litteratur- nachweis, in Bezug auf welche auf die ausführlichen Handbücher verwiesen wird. Nach jedem Abschnitt folgt nun ein Kapitel, in welchem die specielle Technik für die Anfertigung der besprochenen und zum Teil abgebildeten Präparate angegeben Avird. Diese Angaben sind sehr wertvoll und reichhaltig. — Die Zeichnungen, alle in gleichem Massstabe und absichtlich nicht zu stark vergrösserte Objecte darstellend, beziehen sich fast ausschliesslich auf menschliche Präparate, sie sind nicht schema- tisirt und vorzüglich in Holzschnitt ausgeführt. — Jedesmal hinter ihrer Erklärung verweist eine Nummer auf die Technik, welche dabei zur Anwendung kam.
Wir wünschen dem Werk eine möglichste Verbreitung und empfehlen dasselbe namentlich als bestes Hilfsmittel für mikroskopische Kurse. Rabl-Rückhard.
Die ZTvcite Auflage ist weseutlicli verbessert und um 10 Holzschnitte rermelui; uortlen , ausserdem ^vurde ein ganz neues Kapitel „Die Mikrotomtechiiik" aufgenommen. Das Stoelir'sclie Buch ist das erste derartige, welclies in seinen techniselien Torscliriften genaue Mass-, CrC- wichts- und Zeitangaben enthält.
Dr. Oscar Hertwig,
o. f>. Professor an der Universität Jena.
Das Problem der Befruchtung
und der Isotropie des Eies
eine Theorie der Vererbung.
1884. Preis: 1 Mark 50 Pf.
De. OSCÄK HERT-fiSriG.
LEHRBUCH
DER
MTWICKLÜNGSGESCHICHTE
DES
MENSCHEN UND DER WIRBELTHIERE.
ZWEITE AUFLAGE.
LEHRBUCH
DER
ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
DES
MENSCHEN UND ÜEß WIRBELTUIERE.
VON
DR. OSCAR HERTWIG,
O. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE UND VERGLEICHEKDEN ANATOMIK, DIRECTOR DES AKATOMISCHEK
INSTITUTS DER UNIVERSITÄT JENA.
ZWEITE VEB3IEHRTE UND VEMBESSEJRTE AUFLAGE.
MIT 304 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 2 LITHOGEAPHISCHEN TAFELN.
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JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1888.
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zur ersten Auflage.
„Die Entwicklungsgeschichte ist der wahre Lichtträger für Untersuchungen über organische Körper."
C. E. V. Baer, Ueber Entwicklungs- geschichte der Thiere (Bd. I S. 231).
Obwohl die Entwicklungsgeschichte der Thiere neben der Zell- und Gewebelehre einen der jüngsten Zweige morphologischer Forschung darstellt, ist sie doch im Laufe von 60 Jahren zu einem kräftigen und stattlichen Baume herangewachsen. Durch zahlreiche entwicklungs- geschichtliche Untersuchungen ist das Verständniss vom Bau der Or- ganismen in hohem Maasse vertieft worden. Auch das Studium des menschlichen Körpers hat aus denselben reichen Nutzen gezogen. Immer mehr findet die Entwicklungsgeschichte in den neue- ren anatomischen Lehrbüchern (Gegenbaur, Schwalbe) bei der Dar- stellung der einzelnen Organsysteme Berücksichtigung. In wie hohem Grade auf diese Weise Vieles lichtvoller und anziehender beschrieben werden kann, lehren am besten die Abschnitte über Gehirn, Auge, Herz u. s. w., wie man bei einem Vergleich älterer und neuerer anatomi- scher Lehrbücher leicht erkennen wird.
Wenn man im Allgemeinen nun auch davon überzeugt ist, dass die Entwicklungsgeschichte „einen Grundstein unseres Verständnisses organischer Formen" bildet, so wird ihr gleichwohl noch nicht die ihrer Bedeutung entsprechende Aufmerksam- keit geschenkt ; namentlich ist sie noch nicht in dem Maasse , wie es sein sollte, unentbehrlicher Bestandtheil eines abgerundeten medicinischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts geworden. Zum Theil mag die Ursache für diese Erscheinung darin zu suchen sein , dass in den Kreisen der Studirendeu vielfach das Studium der Entwicklungsgeschichte für besonders schwierig und ein Verständniss derselben für mühsam gehalten wird. Und so wagen sich viele nicht in das anscheinend dunkle Gel)iet.
VI Vorwort zur ersten Auflage
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Aber sollte wirklich die Entwicklung eines Organismus schwieriger zu verstehen sein als der fertige coniplicirte Bau?
In gewissem Grade ist dies der Fall gewesen, zu einer Zeit, als über viele der wichtigsten P^ntwicklungsvorgänge , wie über die Keim- blätter-, Urwirbelbildung u. s. w., noch die verschiedensten sich wider- streitenden Meinungen herrschten , mit welchen der Vortragende zu rechnen hatte, und als viele Processe in ihrem Wesen und ihrer Be- deutung noch nicht verstanden waren. Aber Dank den Ergelmissen der vergleichenden Embryologie ist die Zahl der unverständlichen Vorgänge mit jedem Jahre mehr verringert und in demselben Maasse das Stu- dium der Entwicklungsgeschichte auch für den Anfänger erleichtert worden.
Im Wesen des Entwicklungsprocesses liegt es jedenfalls nicht, dass er schwieriger zu verstehen sein sollte als der Bau der vollendeten Formen. Denn jede Entwicklung beginnt mit einem einfachsten Zu- stand, aus welchem sich der complicirtere Schritt für Schritt ableiten und erklären lässt. —
Da ich seit 12 Jahren selbst das Studium der Entwicklungsge- schichte mit Vorliebe getrieben und mich mit demselben theils in jähr- lich wiederkehrenden academischen Vorträgen, theils in einer Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigt habe, ist früh der Wunsch in mir wachgerufen worden, der Entwicklungsgeschichte einen breiteren und festeren Boden im Unterricht zu gewinnen und ihr in weiteren
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Kreisen von Medicinern und naturwissenschaftlich Gebildeten Eingang zu verschafien. Aus diesem Bestreben ist das vorliegende Lehrbuch ent- standen, das sich zur Aufgabe gesetzt hat, insbesondere den comph- cirten Bau des menschlichen Körpers durch Erkenntniss seiner Ent- wicklung verständlicher zu machen.
Zur Lösung meiner Aufgabe habe ich in dem vorliegenden Lehrbuch die vergleichende Forschungsmethode in den Vordergrund gestellt. Dadurch sehe ich mich in keinem Gegensatz zu einer anderen Richtung der embryologischen Forschung, welche den Schwerpunkt in die physiologische oder mechanische Erklärung der thierischen Körperformen legt. Eine solche Richtung halte ich für voll berechtigt und einer vergleichend-morphologischen Rich- tung so wenig entgegengesetzt, dass ich vielmehr glaube, dass erstere durch letztere die nachhaltigste Förderung in ihren Aufgaben erfahren kann.
Auch in vorliegendem Lehrbuch wird man finden , dass der me- chanisch-physiologischen Erklärung der Formen volle Beachtung ge- schenkt worden ist. Man vergleiche den Abschnitt über die Zellthei- lung und das 4. Capitel: „Allgemeine Besprechung der Entwicklungs- principien", in welchem über das Gesetz des ungleichen Wachsthums und über die Processe der Faltenbildung und Ausstülpung gehandelt wird.
Vorwort zur zweiten Auflage. yii
Bei der Darstellung der einzelnen Entwicklungsprocesse ist im Grossen und Ganzen nur das Wichtige ausgewählt, Nebensächliches weggelassen worden , um so die Einführung in das entwicklungsge- schichtliche Studium zu erleichtern. Bei fundamentalen Theorieen bin ich auf die Geschichte derselben ausführlicher eingegangen, da es von hohem Interesse ist und unter Umständen anregend wirkt, wenn man sieht, auf welchem Wege der derzeitige Stand einer wissenschaftlichen Frage erreicht worden ist. In schwebenden Streitfragen habe ich zwar die Ansichten, welche mir die am meisten berechtigten zu sein schei- nen, der Darstellung hauptsächlich zu Grunde gelegt, dabei aber auch entgegengesetzte Auffassungen nicht unerwähnt gelassen.
Zahlreiche in den Text gedruckte Abbildungen, sowie einige in Farbendruck hergestellte Tafeln werden zum leichteren Verständniss der einzelnen Entwicklungsvorgänge wesentlich beitragen.
Somit übergebe ich das Lehrbuch Aerzten und Studirenden der Medicin und Naturwissenschaften mit dem Wunsch, dass es das Stu- dium der Entwicklungsgeschichte in weiteren Kreisen fördern und er- leichtern und dadurch auch zu einem tieferen Verständniss vom Bau unseres eigenen Körpers beitragen möge.
Jena, October 1886.
Oscar HertTvig.
Yorisr ort
zur zweiten Auflage.
Die freundliche Aufnahme, welche das Lehrbuch der Entwicklungs- geschichte des Menschen und der Wirbelthiere gefunden hat, ist ein Zeichen für das erhöhte Interesse, welches gegenwärtig diesem Zweig der Morphologie entgegengebracht wird.
Nachdem vor Jahresfrist der erste Theil des Lehrbuchs erschienen ist, hat sich bereits schon während des Druckes des zweiten Theils die Nothwendigkeit der Veranstaltung einer neuen Auflage ergeben.
In dieser sind tiefgreifendere Veränderungen nicht vorgenommen worden ; dagegen hat an einigen Stellen der Text eine Erweiterung durch Berücksichtigung von mehreren neu erschienenen Arbeiten gefunden:
Till Vorwort zur zweiten Auflage.
SO der Abschnitt über die ersten Entwicklungsvorgänge des Eies (Weis- mann, Blochmann); der Al)schnitt über die Entstehung des Gefäss- systems (Rabl, Rückert); der Abschnitt über die Entwicklung der Eihäute (Duval, Osborn) ; der Abschnitt über die menschliche Placenta (Kastschenko, Waldeyer, Rüge).
Da der zweite Theil des Lehrbuchs erst soeben erschienen ist, konnte er in die zweite Auflage unverändert herübergenommen werden.
Ferner schien es mir zweckmässig, die Literaturübersichten, welche in der ersten Auflage am Schluss des ganzen Werkes zusammengestellt sind, in der zweiten Auflage an den Schluss der einzelnen Capitel zu vertheilen. Endlich ist eine neue Zugabe das Sachregister, welches eine raschere Orientirung über die einzelnen Gegenstände erleichtern und so der Gebrauchsweise zu Gute kommen wird.
Möge das Buch auch in dieser Form sich neue Freunde sowohl unter den Studirendeu der Medicin und Naturwissenschaften als auch bei allen denen erwerben, welche den naturwissenschaftlichen Studien Liebe und Verständniss entgegenbringen.
Jena, Februar 1888.
Oscar Hertw^ig.
Inhalt.
Erster Haupttheil.
Seite
Einleitung 1
Hand- und Lehrbücher 4
Erstes Capitel.
Beschreibung der Geschlechtsproducte 7
Die Eizelle 7
Die Samenzelle 16
Geschichtliches 1''
Zusammenfassung 23
Zweites Capitel.
Die Reifeerscheinungen des Eies und der Befruchtungsprocess . . . 25
Die Reifeerscheinungen 25
Geschichtliches • 29
Der Befruchtungsprocess 31
Geschichtliches 35
Zusammenfassung 36
Drittes Capitel.
Der Furchungsprocess 39
Geschichtliches 52
Zusammenfassung 55
Viertes Capitel.
Allgemeine Besprechung der Entwickelungsprincipien 58
Fünftes Capitel.
Die Entwiokelung der beiden primären Keimblätter (Gastraeatheorie) 65
Sechstes Capitel.
Die Entwickelung der beiden mittleren Keimblätter (Coelomtheorie). 81
Zusammenfassung 107
Siebentes Capitel.
Geschichte der Blättertheorie 110
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X Inhalt.
Seite
Achtes CapiteL
Entwickelung der Urseotmente 128
Zusammenfassung 129
Neuntes Capitel. Entwickelung von Bindesubstanz und Blut (Die Parablast- und Me-
senchymtheorie) 130
Geschichtliches 142
Zusammenfassung 144
Zehntes Capitel.
Bildung der äusseren Körperform 147 .
Zusammenfassung 156
Elftes Capitel.
Die Eihüllen der lleptilien und Vögel 157
Zusammenfassung 168
Zwölftes Capitel.
Die Eihüllen der Säugethiere 169
Zusammenfassung 183
Dreizehntes Capitel.
Die menschlichen Eihüllen 186
1) Das Chorion 192
2) Das Amnion 193
3) Der Dottersack 194
4) Die Deciduae 195
5) Die Placenta 200
6) Die Nabelschnur 207
Zusammenfassung 210
Zweiter Haupttheil.
Vierzehntes Capitel. Die Organe des inneren Keimblatts, Das Darmrohr mit seinen An- hangsorganen 219
1) Die Bildung des Mundes, der Schlundspalten und des Afters 219
2) Die Sonderung des Darmrohrs in einzelne Abschnitte und Bildung der Gekröse (Mesenterien) 229
3) Die Entwickelung der einzelnen Organe des Eingeweiderohrs 236
A. Die Organe der Mundhöhle : Zunge , Speicheldrüsen und Zähne 237
B. Die aus dem Schlunddarm entstehenden Organe . 244
1) Die Thymus 244
2) Die Schilddrüse 247
3) Lunge und Kehlkopf 250
C. Die Drüsen des Dünndarms 253
1) Die Leber 253
2) Die Bauchspeicheldrüse 259
Zusammenfassung 260
Inhalt. XI
Seite
Fünfzehntes Capitel.
Die Organe des mittleren Keimblatts 267
I. Die Entwickelung der willkürlichen Musculatur .... 267
A. Die Ursegmente des Rumpfes 268
B. Die Kopfsegmente 275
II, Die Entwickelung der Harn- und Geschlechtsorgane . . 276
a) Der Urnierengang 277
b) Die Vorniere 280
c) Die Urniere 281
d) Die Niere 286
e) Der MtJLLER'sche Gang . . . . • 288
f) Das Keimepithel 291
g) Der Eierstock 291
h) Der Hoden 297
i) Die Umwandlung der verschiedenen Anlagen des Uro- genitalsystems in den fertigen Zustand 299
A. Im männlichen Geschlecht (Descensus testiculorum) 302
B. Im weiblichen Geschlecht (Descensus ovariorum) . 3Ü6 k) Die Entwickelung der äusseren Geschlechtstheile . 310
Iir. Die Entwickelung der Nebennieren 315
Zusammenfassung 317
Sechzehntes Capitel.
Die Organe des äusseren Keimblatts 325
I. Die Entwickelung des Nervensystems 325
A. Die Entwickelung des Centralnervensystems ... 325
a) Die Entwickelung des Eückenmarks 326
b) Die Entwickelung des Gehirns 329
1) Umwandlung des fünften Hirnbläschens . . 334
2) „ „ vierten „ ." . . 335
3) „ „ dritten „ ... 336
4) „ „ zweiten „ ... 336
Entwickelung der Zirbeldrüse 337
Entwickelung der Hypophysis 341
5) Entwickelung des Grosshirnbläschens .... 343
B. Die Entwickelung des peripheren Nervensystems . 351
a) Die Entwickelung der Spinalknoten 351
b) Die Entwickelung der peripheren Nerven . . . . 353
c) Die Entwickelung des Sympathicus 359
Zusammenfassung 359
II. Die Entwickelung der Sinnesorgane 362
A. Die Entwickelung des Auges 363
a) Die Entwickelung der Linse 366
b) Die Entwickelung des Glaskörpers 369
c) Die Entwickelung des secundären Augenbechers und
der Augenhäute 370
d) Die Entwickelung des Sehnerven 377
e) Die Entwickelung der Hülfsapparate des Auges . . 378 Zusammenfassung 381
B. Die Entwickelung des Gehörorgans 382
a) Die Entwickelung des Hörbläschens zum Labyrinth 382
XII Inhalt,
Seite
b) Die Entwickelung der häutigen Ohrkapsel zum kuö- cherueii Labyrinth u. den perilymphatischen Bäumen 388
c) Die Entwickelung des mittleren und äusseren Ohrs 393
Zusammenfassung 396
C. Die Entwickelung des Geruchsorgans 398
Zusammenfassung 404
III. Die Entwickelung der Haut und ihrer Nebenorgane 405
a) Die Haut 405
b) Die Haare 406
c) Die Nägel 409
d) Die Drüsen der Haut 411
Zusammenfassung -414
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Siebzehntes Capital.
Die Organe des Zwischenblatts oder Mesenchyms 419
I. Die Entwickelung des Blutgefässsysteras 4 22
A. Die ersten Entwickelungszustände des Gefässsystems . 422
a) des Herzens 422
b) Dotterkreislauf, Allantois- und Placentarkreislauf . 4 27
B. Die weitere Entwickelung des Gefässsj'stems bis zum ausgebildeten Zustand . 431
a) Die Umwandlung des Herzschlauchs in ein gekam- mertes Herz 131
b) Die Entwickelung des Herzbeutels und Zwerchfells 4 38
c) Umwandlungen im Bereiche des Arteriensystems . 142
d) Umwandlungen im Bereiche des Venensystems . . 447 ZusammenfassuDg 455
II. Die Entwickelung des Skelets 458
A. Die Entwickelung des Axenskelets 159
a) Entwickelung der Wirbelsäule 461
b) Entwickelung des Kopf skelets 467
I. Knochen der Schädelkapsel 480
IL Knochen des Visceralskelets 48 2
c) Ueber die Stellung des Kopfskelets zum Bumpfskelet 486
Theorie über das Verhältniss des Kopfes und
seines Skelets zum Bumpfskelet 490
B. Die Entwickelung des Extremitätenskelets 492
a) Schulter- und Beckengürtel 495
b) Skelet der freien Extremität 496
c) Entwickelung der Gelenke 500
Zusammenfassung 502
Li teraturn achtras: 510
Einleitung.
Die individuelle Entwicklungsgeschichte oder Ontogenie (Embryo- logie) ist die Lehre vom Werden eines Organismus, sie hat die Foi-mver- • änderungen , welche ein Organisnuis von seiner Entstehung im Ei bis zu seiner völligen Ausbildung durchläuft, zu beschreiben und in ihrem gesetzmässigen Zusammenhang darzustellen. Als den Anfang des Ent- wicklungsprocesses können wir für die Wirbelthiere wie für alle höheren l'hiere überhaupt die Befruchtung der Eizelle betrachten.
Bei der Darstellung der mit der Befruchtung beginnenden Ver- änderungen der Eizelle kann man 2 verschiedene Methoden wählen.
Bei der einen Methode legt man der Darstellung einen bestinunten Organismus zu Grunde und beschreibt von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag die Veränderungen , die sein Keim vom Augenblick der Be- fruchtung an erfährt. In dieser Weise ist die Entwicklungsgeschichte des Hühnchens von Baer in seinem classischen Werk und von Foster und Balfour in ihren Grundzügen der Entwicklungsgeschichte der Thiere bearbeitet worden. Die Methode hat den Vortheil, dass der Leser ein Bild von der Gesammtbeschaffenheit eines Organismus in den einzelnen Stadien seiner Entwicklung erhält.
Ein so geschriebenes Lehrbuch eignet sich namentlich für solche, welche die Entwicklungsgeschichte eines Thieres wie z. B. des Hühn- chens, aus eigener Anschauung durch Nachuntersuchung kennen lernen wollen. Dagegen ist es weniger geeignet für denjenigen , der sich nur ein Verständniss und eine Kenntniss der einzelnen Entwicklungspro- cesse aneignen und erfahren will , in welcher Weise die einzelnen Organe, wie z. B. das Auge oder das Gehirn, sich entwickeln. Denn die Bildung derselben wird ja an verschiedenen Orten bei Beschreibung jüngerer und älterer Embryonen abgehandelt. Der Leser muss , wenn er ein Gesammtbild vom Entwicklungsgang eines Organes sich verschaffen will, an verschiedeneu Stellen des Lehrbuchs nachschlagen und sich das hierauf Bezügliche zusammenstellen.
Für den Anfänger und für die Bedürfnisse theoretischen Unterrichts in der Entwicklungsgeschichte empüehlt sich mehr die zweite Me- thode, welche die einzelneu Organe für sich der Reihe nach betrachtet
O. Hertwig, Entwicklungsgeschichte. 2. Aufl. 1
Einleituno:,
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und die Veränderuiigeu, welche ein einzelnes während der Entwicklung von Allfang bis zu Ende zu durchlaufen hat, im Zusammenhang dar- stellt. In dieser Weise ist die Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere von Kölliker geschrielien.
Die zweite Methode ist zugleich auch die einzig anwendbare, wenn es darauf ankommt, die Entwicklung mehrerer Organismen vergleichend zu untersuchen und die Lücken, die in unserer Erkenntniss des einen bestehen , durch das , was wir von nahe verwandten Thieren wissen, auszufüllen. In dieser Lage aber befinden wir uns, wenn wir uns ein Bild von der Entwicklung des menschlichen Körpers verschaifen wollen. Eine Darstellung , welche sich allein auf das , was wir vom Menschen wissen , beschränken wollte , würde sehr zahlreiche und grosse Lücken aufweisen. Denn bis jetzt hat noch keines Menschen Auge gesehen, wie das menschliche Ei befruchtet wird, wie es sich theilt, wie sich die Keimblätter bilden, wie sich die erste Anlage der wichtigsten Organe vollzieht. Gerade über den Zeitraum der ersten 3 Wochen, in welchen sich die verschiedenartigsten und gleichsam grundlegenden Entwicklungs- processe abspielen, wissen wir so gut wie gar nichts; auch ist wenig Aussicht vorhanden, dass in dieser Beziehung eine Aenderung so bald eintreten wird. Für eine vollständige Entwicklungsgeschichte des Menschen im strengen Sinne des Wortes wird daher vielleicht niemals die Zeit gekommen sein.
Indessen sind die hier sich ergebenden Lücken in einer anderen unser Wissensbedürfniss gleichfalls befriedigenden W^eise auszufüllen. Das Studium der verschiedensten Wirbelthiere lehrt uns , dass sie sich nach einem gemeinsamen Plane entwickeln, dass die ersten Entwicklungs- processe in allen principiell wichtigen Punkten übereinstimmen, und dass Verschiedenheiten, die uns hier und da entgegentreten, durch Ursachen untergeordneter Art, wie zum Beispiel durch einen grösseren Gehalt der Eizelle an Dotter hervorgerufen werden.
Wenn wir sehen, dass die erste Anlage des centralen Nervensystems, des Auges, der Wirbelsäule, der Eingeweide etc. bei den Säugethieren im Ganzen ebenso wie bei den Amphibien, Vögeln und Reptilien geschieht, so ist der Schluss sehr naheliegend und gerechtfertigt, es werde von dieser allgemeinen Erscheinung auch der Mensch in seiner Entwicklung keine Ausnahme machen. So werden wir beim Studium der Entwick- lungsgeschichte von selbst auf die vergleichende Methode hin- geführt. Was wir von der Entwicklung des Menschen der Natur der Sache nach nicht erfahren können, suchen wir durch die Untersuchung anderer Wirbelthiere zu erschliessen.
In früheren Jahrzehnten war das Ei des Hühnchens das bevor- zugte 01)ject, von welchem wir die zahlreichsten und vollständigsten Bcol)aclitungsrcihen besitzen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Forschung auch der Classe der Säugethiere, bei deren Untersuchung
EinleituDO'
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die grössten Schwierigkeiten zu überwinden sind, sowie der Reptilien, Amphibien , Fische etc. zugewendet. Erst durch die Beobachtung so verschiedenartiger Objecte ist Kkirheit in viele Vorgänge gebracht wor- den, die bei Betrachtung des Hühnchens allein uns in ihrem Wesen unverständlich geblieben waren. Denn erst so lernte man das Allge- meine und Wichtige vom Nebensächlichen und Unwichtigen unterscheiden und die Entwicklungsgesetze in ihrer Allgemeinheit verstehen.
Ich werde mich daher auch in diesem Lehrbuch nicht an ein einzelnes Object, wie an das Ei des Hühnchens oder des Kaninchens, halten , sondern von allgemeineren vergleichenden Gesichtspunkten aus darzustellen suchen , was wir durch ausgedehnte Untersuchungsreihen bisher zum Beispiel über das Wesen des Befruchtungs- und des Furchungs- processes, der Keimblätterbilduug etc. als gesetzmässig erkannt haben.
Indessen erwarte man kein Lehrbuch der vergleichenden Ent- wicklungsgeschichte! Zweck und Aufgabe ist in erster Reihe die Ent- wicklung und den Bau des menschlichen Körpers verstehen zu lernen. Was wir darüber wissen, ist vor allen Dingen in den Vordergrund ge- stellt und die Entwicklungsgeschichte der ülnigen Wirbelthiere nur, soweit es zu dem angedeuteten Zwecke erforderlich war, herangezogen und gleichsam ausgenutzt worden.
In die von uns in Aussicht genommene Eintheilung des entwick- luiigsgeschichtlichen Materials nach den einzelnen Organsystemen lässt sich eine grosse Reihe von Vorgängen , mit denen die Entwicklung be- ginnt, nicht einordnen, da am Anfang im Keim die Anlagen zu bestimm- ten , später gesonderten Organen nicht erkennljar sind. Ehe es zur Organbildung überhaupt kommt, sondert sich erst das Ei in zahl- reiche Zellen, diese ordnen sich darauf in einzelne grössere Complexe, die man die Keimblätter oder die Primitivorgane des Embryo genannt hat. Ferner werden bei den höheren Wirbelthieren einzelne Organe gebildet, die nur für das embryonale Leben von Bedeutung sind und später wieder verloren gehen, die Eihüllen nämlich und Eianhänge. Alle derartigen Vorgänge werden wir im Zusammenhang für sich be- sonders behandeln. Hiernach können wir unser Thema in zwei Hauptabschnitte zerlegen, von welchen der erste über die Anfangs- processe der Entwicklung und die embryonalen Hüllen, der zweite über die Entstehung der einzelnen Organsysteme handeln wird.
Um Vorgerückteren ein tieferes Studium und ein Eindringen in die embryologische Literatur zu erleichtern, wird am Schluss der ein- zelnen Capitel eine Uebersicht über die wichtigeren Originalarbeiten gegeben werden. Dagegen mögen Lehrbücher der Entwicklungsgeschichte gleich hier Erwähnung finden.
Einleitung.
Hand- und Lehrbücher.
G. Valentin. Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit
vergleichender Kücksicht der Entwicklung der Säugethiere und Vögel.
Berlin 1845. Bischöfe. Entwicklungsgeschichte der Säugethiere und des Menschen.
Leipzig 1842. H. Rathke. Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. Leipzig 1861. A. KöLLiKKE. Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere.
Academische Vorträge. Leipzig 1861. 2. ganz umgearbeitete Auflage.
Leipzig 1879. Derselbe. Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der
höheren Thiere. 2. Auflage. Leipzig 1884. Schenk. Lehrbuch der vergleichenden Embryologie der Wirbelthiere. Wien
1874.
E. Haeckel. Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen. Leipzig 187 4. Dritte Auflage. 1877.
M. EosTER und F. M. Balfour. The elemeuts of embryologie. Part. I. (Hühnchen). London 1874. 2 edit. by Adam Sedgwick and Walter Heape 1883. Deutsche Uebersetzung durch Kleinenberg. Leipzig 1876.
W. His. Unsere Körperform und das physiologische Problem ihrer Ent- stehung. Leipzig 1875.
F. M. Balfour. Handbuch der vergleichenden Embryologie. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. B. Vetter. Jena 1881. 2 Bände.
G. RoMiTi. Lezioni di embriogenia umana e comparata dei vertebrati.
Siena 1881. 82. W. Peeyer. Specielle Physiologie des Embryo. 1883. 84, C. K. Hoffmann, ürondtrekken der vergelijkende Outwikkeliugsgeschiedenis
van de gewervelde Dieren. Leiden 1884.
ERSTER HAUPTTHEIL.
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ERSTES CAPITEL. Beschreibung der Geschlechtsproducte.
Ei'- und Samen-Zelle.
Die Entwicklung eines neuen Geschöpfes kann bei den meisten Thieren und ausnahmslos bei allen Wirbelthieren nur dann stattfinden, wenn von zweien durch ihr Geschlecht unterschiedenen Individuen Fort- ptlanzungsstüffe, vom Weibe das Ei und vom Manne das Samenkörper- chen oder der Samenfaden, ausgeschieden werden und wenn dieselben zu geeigneter Zeit in Folge des Zeuguugsactes zur Vereinigung kommen.
Ei und Samenfaden sind einfache Elementartheile oder Zellen, die in besonderen drüsigen Organen, die Eizellen in den Eierstöcken des Weibes und die Samenzellen in den Hoden des Mannes, gebildet werden. Nach Eintritt der Geschlechtsreife lösen sie sich zu bestimmten Zeiten in den Geschlechtsorganen aus dem Verbände mit den übrigen Zellen des Körpers los, werden aus dem elterlichen Organis- mus ausgeschieden und stellen jetzt, indem Eizelle und Samenzelle zusam- mentreöen und wenn sonst die geeigneten Entwicklungsbedingungen vorhan- den sind, den Ausgangspunkt für einen neuen kindlichen Organismus dar.
Mit den Eigenschaften der beiderlei Geschlechtsproducte werden wir uns daher zunächst bekannt zu machen haben.
1, Die Eizelle.
Das Ei ist weitaus die grösste Zelle des thierischen Körpers. Seine einzelnen Bestandtheile hat man zu einer Zeit, wo man von seiner Zellen- natur noch nichts wusste, mit besonderen, noch jetzt üblichen Namen belegt. Den Inhalt bezeichnete man als Eidotter oder Vitellus, den Zellenkern als Vesicula germinativa oder Keimbläschen , dessen Ent- deckung durch den Physiologen Purkinje geschah; die Kernkörperchen oder Nucleoli nannte man Keimflecke oder Maculae germinativae, (Wag- ner) die Zellenmembran endlich die Dotter- haut oder Membrana vitellina. Alle diese Theile weichen in nicht unerheblicher Weise von der gewöhnlichen Beschaöenheit des Protoplasma und des Kerns der meisten thierischen Zellen ab. / -v, .j x \\ t
Der Eidotter (Figur 1) sieht selten, pv>v\-.. N^ wie das Protoplasma der meisten Zellen, \.-'''"'.V^"
Fig. 1. Unreifes Ei aus dem Eierstock eines Echinodermen. Das grosse Keimbläschen zeigt in einem Netzwerk von' Fäden, dem Kernnetz, einen Keimfleck oder Nucleoliis.
Erstes Capitel.
homogen, schleimig und feinkörnig aus, ge\Yöhnlich ist er undurch- sichtig und grobkörnig. Es rührt dies daher, dass die Eizelle während ihrer Entwicklung im Eierstock Nahrungsmaterialien oder Reservestofle in sich ablagert, die erst später, wenn der Entwicklungsprocess beginnt, allmählich beim Wachsthum der embryonalen Zellen aufgebraucht werden. Die Reservestott'e sind Eett und Kiweisssubstanzen , die für sich oder gemischt als grössere und kleinere Dotterkugeln, Dotterplättchen u. s. f. in die protoplasmatische Gruudsubstanz der Zelle abgelagert sind. Letz- tere ist die wichtigste Substanz des Eies, da in ihr sich, wie wir aus vielen Erscheinungen schliessen, die hauptsächlichen Leben sprocesse ab- spielen. Wir müssen daher im Dotter nach dem Vorschlag von v. Bene- den unterscheiden 1) das Eiprot opl asma und 2) die in ihm auf- gespeicherten Dotterstotte von chemisch verschiedener Natur, das Deuto- p 1 a s m a.
Wenn die Ablagerung von Reservestoffen in sehr hohem Grade statt- findet, so kann durch sie die eigentlich wichtige Substanz des Eiproto- plasma fast ganz verdeckt werden. Sie füllt alsdann die kleinen Lücken zwischen den dicht zusammengedrängten Dotterkugeln, Dotter-Schollen oder Plättchen wie der Mörtel zwischen den Steinen eines Mauerwerks aus und erscheint auf einem Durchschnitt nur als ein zartes Netzwerk, in dessen kleineren und grösseren Maschen die Dotterbestandtheile liegen. Nur an der Oberfläche des Eies ist stets das Eiplasma als eine mehr oder weniger dicke zusammenhängende Rindenschicht vorhanden.
Das Keimbläschen lagert gewöhnlich in der Mitte des Eies; es stellt das grösste Kerngebilde des thierischen Körpers dar, dessen Grösse jedesmal zu der betreffenden Eiart in einem gewissen Wechselverhält- niss steht.^ So erreicht es z. B. in den grossen Eiern der Amphibien, Reptilien und Vögel solche Dimensionen, dass es ohne jede Vergrösse- rung leicht gesehen und mit Nadeln für sich isolirt werden kann.
Das Keimbläschen (Figur 1 und 2) grenzt sich gegen den Dotter durch eine oft deutlich darzustellende feste Membran ab, welche ver- schiedene Inhaltsbestandtlieile : den Kernsaft, das Kern netz und die Kernkörper umschliesst. Der Kernsaft ist flüssiger als der Dotter, meist im frischen Zustand wasserhell und nimmt, wenn er durch Zusatz von Reagentien geronnen ist, nur wenig oder gar keine Farbstoffe in sich auf. Er wird von einem Netzwerk zarter Fäden {Jen) durch- setzt, welche sich an die Kernmembran anheften. In diesem Netzwerk sind dann die Kern kör per oder Keimflecke (/./) eingeschlossen, kleine,
meist kuglige, homogene, glän- zende Gebilde, die aus einem f>v dem Protoplasma verwandten
jq=,.^- — icf Stoff, der Kernsubstanz oder ■''^ dem Nuclein, bestehen. Vom
Protoplasma unterscheidet sich das Nuclein (abgesehen von eini- gen anderen chemischen Reactio- nen) namentlich dadurch, dass es sehr begierig Farbstofl'e wie
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Fig. 2. Keimbläschen eines noch unreifen kleinen Froscheies. Dasselbe zeigt in einem dielitcn Kernnetz {Im) selir zahlreiche meist wandständige Keimflecke (Jcf). III Kernmembran.
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Beschreibung der Geschlechtsproducte. 9
Carmin, Haematoxylin , Anilin etc. in sich aufnimmt, daher es auch von Flemming den Namen des Chromat in erhalten hat.
Die Anzahl der Keim flecke ist in den einzelnen Keimbläs- chen eine sehr verschiedene, aber für die einzelnen Eiarten ziemlich gleich bleibende; bald ist nur ein einziger Keimfleck (Figur 1), bald sind ihrer mehrere oder sehr viele vorhanden (Figur 2 Icf). Je nach- dem kann man mit Auerbach uninucleoläre, pluri- und niultinucleoläre Keimbläschen unterscheiden.
Die weichen Theile des Eies werden endlich von schützenden Hüllen umschlossen, deren Anzahl und Beschaöenheit im Thierreich sowohl als auch innerhalb der Wirbelthiere eine ausserordentlich verschiedenartige sein kann. Dieselben theilen wir, wie es Ludwig gethan hat, am besten nach ihrer Entstehungsweise in zwei Gruppen ein, in die primären und in die s e c u n d ä r e n E i h ü 1 1 e n. Primäre Eihüllen sind solche, welche entweder von der Eizelle selbst oder innerhalb des Eierstocks und des Eifollikels von den Follikelzellen gebildet worden sind. Die vom Eidotter ausgeschiedenen nennt man D o 1 1 e r h a u t , Membrana vitellina, die vom Follikelepithel gebildeten Chorion. Als secun- däre Eimembranen sind alle zu bezeichnen, welche erst ausserhalb des Eierstocks durch Ausscheidungen von Seiten der Wandung des Ausfüh- rungsapparates ihre Entstehung nehmen.
Im Einzelnen betrachtet weichen die Eier der verschiedenen Thier- arten in hohem Grade von einander ab , so dass sie wohl als die für die Art am meisten characteristischen , thierischen Zellarten betrachtet werden müssen. Ihre Grösse, welche auf die geringere oder grössere Ansammlung des Deutoplasma zurückzuführen ist, schwankt so sehr, dass bei einzelnen Arten die Eizellen eben noch als kleine Pünktchen wahrgenommen werden können, während sie bei anderen jum das Millio- nenfache grössere Dimensionen wie ein Hühner- oder sogar ein Straussenei erreichen. Die Form ist meist kuglig, seltener oval oder cylindrisch. Andere Verschiedenheiten entstehen durch die Art und Weise, wie Ei- protoplasma und Deutoplasma beschaffen und im Eiraum vertheilt sind; dazu kommt die wechselnde feinere Structur des Keimbläschens und die grosse Verschiedenartigkeit der Eihüllen.
Einige dieser Momente sind für die weitere Entwicklungsweise der Eizellen von grösserer Bedeutung. Man hat sie als Princip für eine Eintlieihiiig der so yerschiedeneii Eiarten benutzt.
Am zweckmässigsten theilt man die Eier in zwei Hauptgruppen, in einfache und in zusammengesetzte Eier ein, von welchen die ersteren wieder in mehrere Untergruppen zerfallen.
A. Die einfachen Eier,
Einfache Eier nennen wir solche, die sich in einem Eierstock aus einer einzigen Keimzelle entwickeln. Zu ihnen gehören die Eier aller Wirbelthiere und der meisten Wirbellosen.
In dieser Hauptgruppe ergeben sich nach der Art und Weise, wie Protoplasma und Deutoplasma im Eiraum vertheilt sind, drei für die Gestaltung der ersten Entwicklungs- processe sehr bedeutungsvolle Modificationen.
Im einfachsten Falle ist das Deutoplasma, das gewöhnlich nur in geringerer Menge in dem entsprechend kleinen Ei vorhanden ist, mehr oder minder gleichmässig im Protoplasma ver-
10
Erstes Capitel.
theilt (Fig. 1). In audcren Fällen hat sich von diesem ursprünglichen Zustand aus unter einer massenhaften Zunahme des Dottermaterials eine Ungleichmässigkeit in der Vertheilung der beiden oben unterschie- denen Eisubstanzen entwickelt. An bestimmten Stellen des Ei- raums hat sich das Eiplasma, an anderen Stellen das Deutoplasma in gross erer M enge angesammelt. Es hat sich somit ein Gegensatz zwischen protoplasmareicheren und protoplasma- ärmeren Abschnitten der Eizelle herausgebildet. Eine stärkere Aus- bildung dieses Gegensatzes übt einen ausserordentlich grossen und tief- greifenden Eiufluss auf die ersten Entwicklungsprocesse aus, welche sich nach der Befruchtung an der Eizelle vollziehen. Es treten näm- lich die Veränderungen , welche wir später als Furchungsprocess zu- sammenfassen werden, nur an dem protoplasmareicheren Abschnitt des Eies ein , während der grössere an Deutoplasma reichere Abschnitt scheinbar ganz unverändert bleibt und nicht in Zellen zerlegt wird. Hierdurch wird während der Entwicklung der schon im ungetheilten Ei vorhandene Gegensatz ein ungleich grösserer und mehr in die Augen springender. Der eine Theil geht Veränderungen ein , zerlegt sich in Zellen und bildet aus diesen die einzelnen Organe, der andere Theil bleibt mehr oder minder unverändert und wird allmählich als Nahrungs- material aufgebraucht. Nach dem Vorgang von Reichert hat man den protoplasmareicheren Theil des Dotters, auf den die Entwicklungspro- cesse beschränkt bleiben, als Bildungsdotter und den andern als Nahrungsdotter bezeichnet.
Die ungleiche Vertheilung von Bildungsdotter (Vit eil us for- mativus) und von Nahrungsdotter (Vitellus nutritivus) im Eirauni kann eine zweifache sein.
In dem einen Falle (Fig. 3) sammelt sich der Bildungsdotter an einem Pole des Eies zu einer flachen Keimscheibe (h.sck.) an. Die- selbe ist, da ihr specifisches Gewicht ein geringeres als dasjenige des am entgegengesetzten Pole angehäuften Nahrungsdotters (n.d) ist, stets nach oben gekehrt und breitet sich auf letzterem gleichsam wie ein Oeltropfen auf dem Wasser aus. Das Ei hat also hier eine polare Differen zirung erfahren und kann in der Ruhelage wegen der ungleichen Schwere der beiden Pole nur eine bestimmte Stel- lung einnehmen. Die ungleichen Pole unterscheidet man: den nach oben gerichteten leich- teren Pol mit der Keim Scheibe als den animalen (A.P.)^ den nach abwärts gekehrten schwereren und dotterreiche- ren als den vegetativen (^F.P.^. Die polare Differenzirung der Eier ist bei den Wirbelthiereu häufiger anzu- trelien, wie in der Klasse der Knochen- fische, der Reptilien und der Vögel, anderen Fall (Fig. 4) sammelt sich der Bildungs-
Ä.p
gas
hb
II,. d
V.P
Fig. 3 Schema eines Eies mit pol- ständigem Nahrungsdotter. Der Hil- dungsdotter bildet am animalen Pole A.P eine Keimscheibe Jc.sch, in welcher das Keimbläschen k.b eingeschlossen ist. Der Nabrungsdotter ti.d füllt den übri- gen Eiraum nach dem vegetativem Pol {V.P) zu aus.
In dem
Beschreibung der Geschleclitsproducte. 11
dotier (hd) ander ganzen Oberfläche dos Eies au und umgibt als gleichmässig dicke, feinkörnige Rindeuscliiclit den ceutral gelegenen Nahrungsdotter {nd). Das Ei ist cen- tral diÖ'erenzirt und nimmt daher keine feste Ruhelage ein. War dort der Nah- rungsdotter polständig, so ist er hier /0^^:^''^&'^^^- bn mittelständig. Ein derartiges Ver- ßM'S^^^^^^'^^^^l^^. nd halten wird bei den Wirbelthieren nie- ,"_."! V '^.//^ mals angetroffen, ist aber für viele [%^li?<M\^i^T-''-' '''^ Arthropoden characteristisch.
Um die 3 iVIodifikationen zu unter- scheiden, hat sich Balfour der Aus- drücke alecithal, telolecithal und cen- trolecithal bedient. Alecithale nennt er die Eier, in welchen das Deuto- plasma im Protoplasma gleichmässig vertheilt ist, telolecithale solche, bei .J}f. *• ^^^^.^ ^^"',^ ,f ^^ ,f ^
' \ -It ^ T Ä mittelstandigeni Nahrungsdotter. Das
denen der Nahrungsdotter am vege- Keimbläschen h.b nimmt die Mitte des tativen Pole angesammelt ist, centro- Nain-ungsdotters («.<z) ein, weicher von
lecithale solche, bei denen die An- einem Mantel von Bildungsdotter (h.d)
Sammlung im Centrum erfolgt ist. Im eingehüllt wird.
Folgenden werden wir 1) von Eiern
mit gleichmässig vertheiltera Dotter, 2) von Eiern mit
polständigem Nahrungsdotter und 3) von Eiern mit mit-
telständigera Nahrungsdotter sprechen.
Es wird jetzt zweckmässig sein, das eben Gesagte an typischen Beispielen zu erläutern und wählen wir hierzu die Eier der Säugethiere, der Amphibien, der Vögel und der Arthropoden, auf welche wir auch später bei der Darstellung der weiteren Entwicklungsvorgänge öfters wieder zurückkommen werden.
Das Ei der Säugethiere und des Mensclien ist ausserordentlich klein, indem es durchschnittlich nur 0,2 mm misst. Es ist daher auch erst in unserem Jahrhundert im Jahre 1827 durch Carl Ernst v. Baer entdeckt worden, nachdem man vor ihm die viel grösseren GRAAFr'schen Follikel des Eierstocks, in welchen die viel kleineren wahren Eier erst eingeschlossen sind, für die letzteren fälschlicher Weise gehalten hatte. Das Säugethierei (Fig. 5) besteht hauptsächlich aus durchsichtiger, feinkörniger protoplasmatischer Substanz, in welche nur spärliche, dunkle, fettähnliche Kügelcheu und Körner (Deutoplasma) eingelagert sind. Das Keimbläschen iJcJ)) enthält in ein Kernnetz (kn) eingelagert einen grösseren Keimfleck ßf) mit einigen kleineren Nebenflecken. Die Eihülle heisst Zona pellucida (sp), weil sie als eine verhältnissmässig dicke und helle Lage den Dotter umgiebt, sie ist eine primäre Bildung, welche innerhalb des GRAAFr'schen Bläschens von den Follikelzellen ausgeschieden wird. Bei stärkeren Vergrösserungen erscheint die Zona pellucida (z.p) radiär gestreift, sie wird nämlich von zahlreichen Poren- kanälchen durchsetzt, in welche, solange das Ei im GRAAFr'schen Fol- likel verweilt, sowohl pseudopodienartige Fortsätze des Dotters als auch der Follikelzellen {f.^), wahrscheinlich zum Zweck der Ernährung und des Wachsthums des Eiinhalts, eindringen.
Mit dem Säugethierei stimmen in ihrer Grösse und in der Art, wie beide Dotterarten noch gleichmässig im Eiraum vertheilt sind, die
12
Erstes Capitel.
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f.z
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k.n ■f
Fig. 5. Ei aus einem 2 mm dicken Follikel des Kaninchens nach Waldeyer. Dasselbe ist von der Zona pelliieida {~ 2>) umgeben, welcher an einer Stelle Follikelzellen (f.z) aufsitzen. Der Dotter enthält Körner von Deutoplasma (d). In das Keimbläschen k.b ist das Kernnetz (Jen) besonders eingezeichnet, welches einen grossen Keimfleck (kf) einschliesst.
Eier vieler Wirbellosen, wie der Würmer, Mollusken, Echinodernien und Coelenterateu überein.
Einen Uebergang von den einfachen Eiern mit ungesondertem Dotter- material zu den Eiern mit deutlich ausgeprägter und äusserlich erkenn- barer polarer Diß'erenzirung bihlen die als zweites Beispiel aufgeführten Eier der Amphibien; diese haben schon sehr reichlich Nahrungsdotter in sich abgelagert und dadurch eine sehr beträchtliche Grösse erlangt. Das r'roschei z. B. ist durch und durch erfüllt von dicht zusammen- gepressten fettgläiizcuiden Dotterschollen und Dotterplättchen. Das Ei- j)rotoplasma breitet sich theils zwischen den Plättchen als Netzwerk aus, theils bildet es an der Oberfläche des Eies eine dünne Rindenschicht. Bei näherer Prüfung lässt sich indessen bereits hier der Beginn einer polaren Differenzirung auf das Deutlichste erkennen ; sie gibt sich darin kund, dass an einem Pol, der zugleich durch oberflächliche Pigment- ablagerung schwarz erscheint, die Dotterplättchen kleiner und von reichlicherem Eiplasma eingehüllt sind und dass wahrscheinlich in Folge dessen auch schon geringe Verschiedenheiten im specifischen Ge- wicht zwischen der pigmentirten und der unpigmentirten oder der ani- malcn und der vegetativen Eihälfte wahrzunehmen sind.
Das Keimbläschen (Fig. 2) lagert im unreifen FA in der Mitte, ist ausserordentlich gross, mit blossem Auge zu sehen und multinucleolär, indem 100 und mehr grosse Keimflecke (Jcf) sich dicht unter der Kern- mend)ran ausgebreitet finden. Die Hüllen zeigen im Vergleich zum Säugethiere eine Vermehrung, da sich zu einer im Follikel gebildeten
Beschreibung der Geschlechtsproducte.
10 o
Ib kM-h
Zona pellucida (Zona radiata) später noch eine secundäre Hülle, eine dicke, von der Eileiterwandung ausgeschiedene, klebrige, im Wasser quellende Gallertliülle hinzugesellt.
Die bei den Amphibien gleichsam noch in Entwicklung begriÖene polare Differenzirung tritt uns in unserem dritten Beispiel, dem Ei eines Vogels, scharf ausgeprägt entgegen.
Um uns ein richtiges Bild von der Beschaffenheit der Eizelle des Huhnes oder irgend eines anderen Vogels zu machen, müssen wir die- selbe noch im Eierstock aufsuchen in dem Augenblicke, wo sie ihr Wachsthuni vollendet hat und im Begriff steht, sich aus dem P'ollikel abzulösen. Wir erfahren dann, dass in dem traubenförmigen Eierstock sich nur der kuglige Eidotter, das sogenannte Gelbei, entwickelt, welches für sich eine ausserordentlich grosse Zelle darstellt (Fig O). Es wird von einem dünnen aber ziemlich festen Häutchen {d.h) der Dotterhaut, (tunica adventitia) eingeschlossen, deren Ver- letzung ein Ausfliessen des weichen breiigen Inhalts zur Folge hat. An letz- terem wird man bei genauerer Unter- suchung einen kleinen weisslichcn Fleck, die Keimscheibe (Jcsch) (Discus proligerus, auch Hahnentritt oder Narbe, Cicatri- cula, genannt) entdecken. Sie hat etwa einen Durchmesser von 3 bis 4 mm. und besteht aus Bildungsdotter, an welchem sich der Furchungsprocess allein voll- zieht, aus einem feinkörnigen Proto- plasma mit kleinen Dotterkügelchen; in ihr findet sich auch das Keimbläschen, Fig. G" (Ich) und Fig. &' (a), welches der Keimscheibe entsprechend gleichfalls etwas abgeplattet und linsen- förmig ist.
Die übrige Hauptmasse der Eizelle ist Nahrungsdotter, er setzt sich aus zahllosen Dotterkügelchen zusammen, die durch geringe Spuren von Eiplasma, wie durch einen Kitt, verbunden werden. Ueber eine
(ih
ic.d
v\d V d
Fig. 6". Eizelle (Eidotter) des Huhns aus dem Eierstock.
k.sch Keiinsclieilje , k.h Keim- liläschen , ir.d Weisser Duttei', yd Gelber Dotter, d.h Dotterliaiit
Fig 6^. Durchschnitt der Keimscheibe eines noch in der Kapsel eingeschlossenen reifen Eierstockseies nach Baliour.
a Bindegewebskapsel des Eies; h Epitliel der Kapsel, an dessen Innenseite auf dem Ei die Dotterhaut liegt; c körnige Substanz der Keimscheibe ; iry weisser Dotter, der un- merklich in die feinkörnige Substanz der Keimscheibe übergeht; x das von einer deut- liehen Membran umgebene, aber geschrumpfte Keimbläschen ; y ursprünglich vom Keim- bläschen eingenommener, durch seine Schrumpfung leer gewordener Raum
feinere Structur desselben erhalten wir Aufschluss durch dünne Durch- schnitte, welche senkrecht zur Keimscheibe durch die gehärtete Dotter- kugel anzufertigen sind. Wir unterscheiden jetzt nach Verschiedenheiten
14 Erstes Capitel.
der Fäibung und der elementaren Zusammensetzung den weissen und den gelben Dotter (Fig. 6«).
Der weisse Dotter (wd) ist nur in spärlicher Menge in der Eizelle vorhanden und stellt einen dünnen üeber/ug auf der ganzen Oberfläche, die weisse Dotterrinde, her; zweitens sammelt er sich unter der Keimscheibe, für welche er gleichsam ein Bett oder Polster bildet (Pandersclier Kern), in etwas grösserer Menge an und dringt drittens von hier aus in Form eines Zapfens in den gelben Dotter bis zum Centrum der Kugel vor, wo er kolbenartig anschwillt (Latebra, Pur- kinje). Beim Kochen des Eies gerinnt er weniger und bleibt flüssiger als der gelbe Dotter. Dieser lässt im geronnenen Zustand auf dem Durchschnitt eine Schichtung erkennen, indem er gleichsam aus kleineren und grösseren Kugelschalen besteht, die um die Latebra herumgelegt sind.
Auch in der Beschaffenheit ihrer elementaren Theilchen sind beide Dotterarten von einander verschieden. Der gelbe Dotter besteht aus weichen dehnbaren Kügelchen (Fig. 1 Ä) von 25 bis 100 /t Grösse,
Fig. 7. Dotterelemente aus dem Ei des Huhns nach Balfoue. A Gelber Dotter. B Weisser Dotter.
die noch kleinste, stark lichtbrechende Körnchen enthalten. Die Ele- mente des weissen Dotters sind meist kleiner (Fig. 1 B), ebenfalls kugelig, schliessen aber ein oder mehrere grössere stark lichtbrechende Körner ein. Die Zwischenräume zwischen den grösseren und kleineren Dotterkügelchen werden von dem Eiplasma eingenommen, das sich von der Keimscheibe aus in den Nahrungsdotter hinein continuirlich fortsetzt.
Von dem so beschaffenen Eierstocksei unterscheidet sich ein frisch gelegtes Hühnerei (Fig. 8) in seinem Aussehen. Dies rührt daher, dass um den Dotter, wenn er sich aus dem Ovarium abhist und von dem Ausführweg des weiblichen Geschlechtsapparates oder dem Eileiter auf- genommen wird, von den Wandungen des letzteren mehrere secundäre Umhüllungen, das Eiweiss oder Albumen, die Schalenhaut und die Kalk- schale abgelagert werden. Jeder dieser Theile wird in einem besonderen Abschnitt des Eileiters der Henne gebildet. Derselbe zerfällt nämlich in 4 Abschnitte: 1) in einen engen längeren flimmernden Anfangstheil, in welchen das abgelöste Ei aufgenommen und wo es von den daselbst angesammelten Samenfäden befruchtet wird, 2) in einen mit Längsfalten bedeckten drüsigen Abschnitt, von welchem das Eiweiss secernirt und hl dicker Schicht um den Dotter ausgebreitet wird, 3) in einen etwas ausgeweiteten, mit kleinen Zellen bedeckten Theil, dessen Zellen Kalk- salze ausscheiden und so die Bildung der Kalkschale veranlassen, 4) in einen wieder engeren und kurzen Abschnitt, durch welchen das Ei bei der Ablage, ohne weiter verändert zu werden, rasch hindurchtritt.
Beschreibung der Geschlecbtsproducte.
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Die vom Eileiter nach einander gelieferten Umhüllungen haben folgende Beschaftenheit :
Das Eiweiss oder Albumen (w) stellt ein Gemisch mehrerer Stofte dar; es enthält nach chemischen Analysen 12 "/o Eiweissstotte, 1,5 "/^ Fett und andere Extractivstoffe , 0,5^/o Salze (Chlorkalium, Chlorna- trium, Sulphate und Phosphate), ^(^^j^ Wasser. Es umgibt in mehreren Schichten von wechselnder Consistenz den Dotter. Eine ihm ziemlich dicht auflagernde Schicht ist fester und noch deswegen besonders be- merkenswerth, weil sie sich in zwei eigenthümliche und aus sehr dichter Eiweisssubstanz bestehende, spiralig aufgerollte Stränge (ch.l), die Hagel- schnüre oder Chalazen fortsetzt, welche sich durch das Albumen hin- durch zu dem stumpfen und spitzen Pole des Eies begeben.
Fig. 8. Schematischer Längsschnitt eines unbebrüteten Hühnereies. (Nach Allen Thomson, etwas verändert.)
bl. Keimscheibe, v.y. weisser Dotter; derselbe besteht aus einer centralen flaschen- förmigeii Masse und einer Anzahl concentrisch den gelben Dotter y y. umgebender Schich- ten ; v.t. Dotterhaut ; x. etwas flüssige Eiweissschicht, welche den Dotter unmittelbar um- gibt; IV. Eiweiss aus abwechselnd dichteren und flüssigeren Lagen zusammengesetzt: ch.l. Chalazen (Hagelschnüre) ; a.ch. Luftkammer am stumpfen Ende des Eies. Sie ist einfach ein Zwischenraum zwischen den beiden Schichten der Schalenhaut ; i.s.m. innere, s.m. äussere Schicht der Schaleuhaut; s. Schale.
Das Eiweiss wird nach aussen von der dünnen aber festen, aus verfilzten Fasern zusammengesetzten Schaleuhaut {s.m) (Membrana testae) eingeschlossen. Sie ist in zwei Lamellen zerlegbar, in eine äussere, dickere und festere, und in eine dünnere, glatte, innere Lamelle. Beide weichen am stumpfen Pole des Eies bald nach seiner Ablage auseinander und schliessen zwischen sich einen mit Luft gefüllten Hohlraum ein (a.ch), die sogenannte Luftkammer, welche sich während der Bebrütung immer mehr vergrössert und für die Athmung des sich entwickelnden Hühn- chens von Bedeutung ist.
Die Schale endlich oder Testa (s.) legt sich an die Schalenhaut dicht an und besteht aus 2*^/^ ehier organischen Grundlage, in welche QS^'/o Kalksalze abgelagert sind. Sie ist porös, von kleinen Kanälchen durchsetzt, durch welche die atmosphärische Luft in das Innere des
16 Erstes Capitel.
Eies eindringen kann. Die Porosität der Kalkschale ist für die normale l'hitwickluug des Eies ein iinl)edingtes Erforderniss , da nur bei immer eriKMiter Sauerstortzufulir die Lebensprocesse im Protoplasma sich al)- spielen können. Man wird in kurzer Zeit den Tod des bebrüteten Eies hervorrufen, wenn man die Porosität der Kalkschale dadurch ver- nichtet, dass man sie mit Oel durchtränkt oder mit Firniss die Poren verschliesst.
B. Die zusammengesetzten Eier.
Zusammen j^'esetzte Eier finden sich nur in wenigen Abtheilungen der wir])ellosen Thiere, wie bei den Cestodeu, Trematoden etc. vor; sie bieten uns das Bemerkenswerthe dar, dass sie sich durch Zusammen- fügen mehrerer Zellen aufljauen, die sich in zwei verschiedenen Drüsen des weiblichen Geschlechtsapparates, in dem Keimstock und in dem Dotterstock, bilden. Im Keimstock entwickelt sich die Eizelle im engeren Sinne, die hier immer sehr klein ist und fast nur aus Eiplasma besteht. Wenn sie bei ihrer Keife sich aus ihrer Umgebung al)löst und in die Ausführwege geräth, muss sie an der Ausmündung des Dotterstocks V()rbeii)assireu; hier gesellen sich nun zu ihr eine Anzahl von Dotter- zellen, welche durch Einlagerung von Reservestotien in das Protoplasma trüb und grobkörnig aussehen und die Mitgift bilden, welche dem sich entwickelnden Keim vom mütterlichen Organisnuis auf den Weg ge- geben wird. Das Ganze wird darauf von einer oder mehreren secun- dären EihüUen eingeschlossen und stellt das zusammengesetzte Ei dar. In diesem spielen sich die Entwicklungsprocesse einzig und allein an der einfachen Keimzelle al), welche allein Ijefruchtet wird und sich theilt, während die Dotterzellen allmählich zerfallen und als IS'ähr- material aufgebraucht werden. Insofern erleidet ])ei näherer Prüfung auch hier das allgemeine Gesetz keine Ausnahme, dass der kindliche Organismus seinen Ursprung aus einer einzigen Zelle des mütter- lichen Körpers ninunt.
2. Die Samenzelle.
Im Gegensatz zu den Eiern, welche die grössten Zellen des thierischen Körpers sind, stellen die Samenzellen oder Samenfäden (Spermatozoen ) die kleinsten Elementartheile dar; sie sind in grösster Menge in der männlichen Samenfiüssigkeit angehäuft, können in ihr aber nur bei stärkeren Vergrösserungen , meist als feine sich Ijewegende Fäden ge- sehen werden. Da jede Zelle wenigstens aus zwei Theilen besteht, nändich aus Kern und Protoplasma, so werden wir diesell)en auch hier aufzusuchen haben, wobei wir uns an die Beschrei- A B l)ung der menschlichen Samenfäden halten wollen.
Beim Menschen sind die Fäden (Fig. 9), etwa
'' 0,5 mm lang und lassen einen das Vorderende be-
'" zeichnenden kurzen, aber dickeren Abschnitt als Kopf
(Je), einen langen, dünnen, fadenförmigen Anhang (s)
g als Schwanz und zwischen beiden noch ehi sogcinanntes
Mittelstück (m) unterscheiden,
Fig. 9. Reife Samenfäden des Menschen in zwei verschiede- nen Ansichten. Diesenieii Lx^stelien :uis Koi)t'(Ä), Mittelstiick (m) und Scliwiuiz (s).
Beschreibung der Geschlechtsproducte.
17
Der Kopf {Je) hat die Form eines ovalen Plättcliens, das auf beiden Flächen ein wenig napfartig ausgehöhlt und nach dem Vorderende zu etwas zugespitzt ist. Von der Seite (J5) gesehen, gewinnt er eine ge- wisse Aehnlichkeit mit einer platt gedrückten Birne. In chemischer Hinsicht wird er, wie mikrochemische lieactionen lehren, aus Kern- sul)stanz (Nuclein oder Cliroujatin) gebildet. Mit ihm verbindet sich durch einen kurzen als Mittelstück (m) bezeichneten Theil der enge fadenartige Anhang (s), der protoplasmatischer Natur ist und am besten einer Geissei verglichen werden kann, da er, wie diese, vermöge seiner contractilen Eigenschaften eigenthümlich schlängelnde Bewegungen aus- führt. Dadurch bewegt sich der Samenfaden in der Flüssigkeit, der Kopf voraus, mit ziemlicher Geschwindigkeit vorwärts.
Von verschiedenen Seiten hat man daher — und wie wir meinen, mit vollem Recht — die Samenfäden als Flimmer- oder noch besser als Geisseizellen bezeichnet.
In ähnlicher Weise wie beim Menschen sind die Samenfäden bei den übrigen Wirbelthieren beschaffen; es fehlt hier im Grossen und Ganzen die Formenmaunigfaltigkeit, welche uns beim vergleichenden Studium der Eizelle im Thierreich entgegengetreten war.
Dass die Samenfäden in der That umgewandelte Zellen sind, ist durch nichts Besseres als durch ihre Entwicklung zu beweisen. Nach den ausgedehnten Untersuchungen von La Valette bildet sich je ein Samenfaden aus einer Samenzelle oder S p e r m a t o c y t e und zwar der Kopf aus dem Kern, der contractile Faden aus dem Pro- toplasma. Am genauesten hat Flemming die hierbei stattfindenden Umbildungen bei Salamandra maculata untersucht und an diesem Object (Fig. 10) gezeigt, dass nicht der ganze Kern der Spermatocyte, sondern nur die färbbare Sul)stanz
des Kerns, das Chro- 123 4
matin, zum Samenfaden- kopf wird. Das Chromatin sondert sich vom unge- färbten Rest des Kerns und bildet einen sich spiral aufrollenden Faden, der in Form und Grösse mit dem färbbaren Theil des Sa- menfadens übereinstimmt. Zuerst liegt der chroma- tische Faden in der Kern- blase eingeschlossen, spä- ter wird er durch Auf- lösung der Kernmembran frei und verbindet sich durch ein Mittelstück, über dessen Entstehung noch genauere Angaben fehlen, mit dem contractilen Faden, der sich aus dem Protoplasma der Sper- matocyte differenzirt und längere Zeit noch mit protoplasmatischeu Ver- dickungen l)esetzt ist.
Warum sind die männlichen Geschlechtszellen so klein und faden- förmig und so verschiedenartig von den Eiern beschaffen?
Die Unähnlichkeit zwischen den männlichen und weiblichen Ge-
0. Hertwig, Entwickln iigsgescluchte. 2 Aufl. o
Fig. 10. Entwicklung der Samenfäden von Sala- mandra maculata nach Flemming.
1 — 4 Keine, in denen sich das Chromatin zum Samenfadenkopf umbildet. In 5 hat sich der in 4 noch aufgerollte Kopftheil nach Zerreissung der Kernmem- bran gestreckt. Vom langen fadenförmigen Schwanz- anhang ist nur das Anfangsstück mit gezeichnet.
18 Erstes Capitel.
schleclitszellen erklärt sich daraus, dass zwischen beiden eine Arbeits- theilung stattgefundeu hat, indem sie sich verschiedeneu Aufgaben angepasst haben. — Die weibliche Zelle hat die Aufgabe übernommen, für die Sul)stanzen, welche zur Ernährung und Vermehrung des Zell- protoplasma bei einem raschen Ablauf der Entwicklungsprocesse er- forderlich sind, zu sorgen. Sie hat daher im Ovarium Dottermaterial, gleichsam Reservestofife für die Zukunft, in sich aufgespeichert und ist dementsprechend gross und unbeweglich geworden. Da nun aber zum Zustandekommen eines Entwicklungsprocesses noch die Vereinigung mit einer zweiten Zelle eines anderen Individuums erforderlich ist, ruhende Körper sich aber nicht vereinigen können, so hat diese andere Aufgabe der männliche Elemeutartheil übernommen. Er hat sich zum Zweck der Fortbewegung, und um die Vereinigung mit der ruhenden Eizelle zu ermöglichen, in einen contractilen Faden umgebildet und hat sich aller Substanzen vollständig entledigt, welche, wie zum Beispiel das Dottermaterial, diesem Hauptzweck hinderlich sind. Dabei hat er zu- gleich auch eine Form angenommen, welche für den Durchtritt durch die Hüllen, mit welchen sich das Ei zum Schutz umgiebt, und für das Einbohren in den Dotter die zweckmässigste ist.
Für die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen vor allen Dingen die Verhältnisse im Pflanzenreiche. Man findet niederste Pflanzen, bei denen die beiden copulirenden Geschlechtszellen ganz gleichartig, näm- lich klein und beweglich sind, und andere verwandte Arten, bei welchen sich eine allmählich erfolgende Differenzierung in der Weise beobachten lässt, dass die eine Zelle grösser, weil dotterreicher und unbeweglich, die andere dagegen kleiner und beweglicher wird. Hiermit hängt dann in selbstverständlicher Weise zusammen, dass jetzt das ruhende Ei von der schwärmenden Zelle aufgesucht werden muss.
Noch einige physiologische Bemerkungen mögen hier Platz finden. Im Vergleich zu anderen Zellen des thierischen Körpers und nament- lich im Vergleich zu den Eiern zeichnen sich die Samenfäden durch grössere Lebensdauer und Widerstandsfähigkeit aus, was für das Ge- lingen des Befruchtungsprocesses in vielen Fällen von Wichtigkeit ist. Nach ihrer Lösung aus dem Zellen verbau de verweilen die reifen Samen- fäden Monate laug im Hoden und Samenleiter, ohne ihre befruchtende Kraft einzubüssen. Auch in die weiblichen Geschlechtswege eingeführt, scheinen sie noch längere Zeit, beim Menschen vielleicht einige Wochen lang, lebensfähig zu bleiben. Für einige Thiere ist dies mit Bestimmt- heit nachweisbar. So ist von den Fledermäusen bekannt, dass sich der Samen im Uterus des Weibchens während des ganzen Winters hin- durch in einem lebendigen Zustand erhält, und vom Huhn weiss man, dass es noch bis zum 18ten Tage nach Entfernung des Hahns befruch- tete Eier legen kann.
Aeusseren Eingriflen gegenüber erweist sich der Samen sehr viel widerstandskräftiger als die Eizelle, die leicht geschädigt und abge- tödtet wird. Wenn man z. B. Samen gefrieren lässt und wieder auf- thaut, kehrt die Bewegung der Samenfäden wieder. Viele Salze, wenn sie nicht in za starker Concentration angewandt werden, wirken nicht schädigend. Narcotica in starker Concentration und bei längerer Ein- wirkung machen die Fäden bewegungslos, ohne sie aber zunächst abzu- tödten, denn durch Entfernung des schädigenden Mittels kann man sie wieder beleben.
Alcalische Lösungen regen in starker Verdünnung die Bewegung
Beschreibung der Geschlechtsproclucte. 19
der Samenfäden an, Säuren dagegen, auch wenn sie sehr verdünnt sind, führen den Tod herbei. Dem gemäss wächst auch in allen thierischen Flüssigkeiten von alcalischer Reaction die Lebhaftigkeit der Bewegung, während sie in sauren Lösungen sehr bald erlischt.
Geschichte. Die Entdeckung, dass Ei und Samenfäden einfache Zellen sind, ist für das Verständniss des ganzen Entwicklungsprocesses von ausserordentlicher Tragweite. Um dies in vollem Maasse zu würdigen, diene ein Excurs in das geschichtliche Gebiet, welcher uns mit einigen tiefgreifenden Umwandlungen, die unsere Autfassung vom Wesen entwick- lungsgeschichtlicher Processe erfahren hat, bekannt machen wird.
Im vorigen Jahrhundert und noch am Anfang des jetzigen hatte man über die Natur der Geschlechtsproducte die unklarsten Vorstellungen. Die bedeutendsten Anatomen und Physiologen waren der Ansicht, dass die Eier in ihrem Bau mit den erwachsenen Organismen auf das vollständigste über- einstimmen und daher von Anfang an dieselben Organe in derselben Lage und Verbindung wie diese, nur in einem ausserordentlich viel kleineren Zustand, besitzen sollten. Da es nun auch mit den damaligen Vergrösserungs- gläsern nicht möglich war, in den Eiern am Anfang ihrer Entwicklung die vorausgesetzten Organe wirklich zu sehen und nachzuweisen, nahm man zu der Hypothese seine Zuflucht, dass die einzelnen Theile, wie Nerven- system, Drüsen, Knochen etc. nicht nur in einem sehr kleinen, sondern auch durchsichtigen Zustand vorhanden sein müssen.
Um sich den Vorgang verständlicher zu machen, wies man als er- läuterndes Beispiel auf die Entstehung einer Pflanzenblüthe aus ihrer Knospe. Wie in einer kleinen Knospe von den grünen noch fest zusammen- geschlossenen Hüllblättern doch bereits schon alle Blüthentheile, wie Staub- fäden nnd die gefärbten Kelchblätter, eingehüllt werden, wie diese Theile im Verborgenen wachsen vind sich dann plötzlich zur Blüthe entfalten, wo- bei alle bis dahin verborgenen Theile enthüllt werden, so sollten auch in der Thierentwicklung die bereits vorhandenen aber kleineu und durchsich- tigen Theile wachsen, sich allmählich enthüllen und unserem Auge erkenn- bar werden. Man hat daher die eben skizzirte Lehre die Theorie der Entfaltung oder Evolution genannt. Noch treffender ist indessen für sie die in den letzten Decennien eingeführte Bezeichnung Praefor- mationstheorie. Denn das Wichtige an ihr ist, dass das eigentliche Wesen der Entwicklung, oder das Werden in Abrede gestellt wird, dass sich in keinem Augenblicke der Entwicklung etwas Neues bildet, vielmehr jeder Theil von Anfang an vorhanden oder praeformirt ist. „Es giebt kein Werden!" heisst es in den Elementen der Physiologie von Haller. „Kein Theil im Thierkörper ist vor dem andern gemacht worden und alle sind zugleich erschaffen".
Als eine nothwendige Consequenz der scharf durchgeführten Evolu- tionstheorie, welche auch von Leibnitz, Haller und Anderen gezogen wor- den ist, ergiebt sich der Satz, dass in einem Keime, da sich die Thier- geschlechter in ununterbrochener Reihenfolge aus einander entwickeln, auch die Keime für alle späteren Geschöpfe schon angelegt oder eingeschlossen sind. In der Ausbildung dieser „Ei n s ch a cht elun g s 1 ehre" ist man sogar so weit gegangen zu berechnen, wie viel Menschenkeime im Eier- stock der Stammmutter Eva zum mindesten eingeschachtelt gewesen sein müssen, wobei man auf die Zahl 200 000 Millionen kam.
Die Evolutionstheorie trug einen Angriffspunct zu einer wissenschaft- lichen Fehde in sich, da sich ja bei den höheren Organismen ein jedes
2*
20 Erstes Capitel.
Individuum durch das Zusammenwirken zweier getrennter Geschlechter ent- wickelt. Als man daher ausser dem thierischen Ei auch mit den Samen- fäden bekannt geworden war, erhob sich alsbald die lebhaft discutirte Frage, ob das Ei oder der Samenfaden der vorgebildete Keim sei. Jahrzehnte lang standen sich die feindlichen Lager der Ovisten und der An imal c uli ste n entgegen, wobei Anhänger der letzteren Rich- tung bei Zuhilfenahme der damaligen Vergrösserungsgläser die Samenfäden des Menschen auch wirklich mit einem Kopf, mit Armen und Beinen aus- gestattet zu sehen glaubten. Die Animalculisten erblickten im Ei nur den geeigneten Nährboden, welcher für das Wachsthum der Samenfäden erforderlich sei.
Solchen Lehren gegenüber brach für die Entwicklungsgeschichte eine neue Periode an, als Caspar Fbiedbich Wolff in einer Doctordissertation 1759 dem Dogma der Evolutionstheorie entgegen trat und die Praeforma- mation verwerfend den wissenschaftlichen Grundsatz aufstellte, dass, was man nicht mit seinen Sinnen wahrnehmen könne, auch nicht im Keime praeformirt vorhanden sei. Am Anfang sei der Keim nichts anderes als ein unorganisirter, von den Geschlechtsorganen der Eltern ausgeschiedener Stoff, welcher sich erst in Folge der Be- fruchtung während des Entwicklungsprocesses allmählich organisire. Aus dem zunächst ungesonderten Keimstoffe lässt Wolff sich nacheinander die einzelnen Organe des Körpers sondern , welchen Process er in einzelnen Fällen bereits durch Beobachtung genauer festzustellen suchte. So wurde C. Wolff der Begründer der Lehre von der Epigenese, welche sich durch die Entdeckungen unseres Jahrhunderts als die richtige herausge- stellt hat 1 ).
Wolff's Lehre von demunorganisirtenKeirastoff hat seit- dem einer tieferen Erkenntniss weichen müssen. Dank den verbesserten optischen Hilfsmitteln der Neuzeit und Dank der Begründung der Zellen- theorie durch ScHLEiDEN und Schwann. Man gewann jetzt einen besseren Einblick in die elementare Zusammensetzung der Thiere und Plianzen und im besondern auch in die feinere Structur der Geschlechtsproducte, der Ei- zellen und der Samenfäden.
Was die Eizellen anbetrifft, so begann eine Reihe wichtiger Arbeiten mit der Untersuchung Puekinje's 1825 über das Hühnerei, in welcher das Keimbläschen zum ersten Male beschrieben wurde. Ihr folgte alsbald 1827 die berühmte Entdeckung des immer vergebens gesuchten Eies der Säuge- thiere durch C. E. v. Baee. Umfassende und vergleichende Untersuchungen über den Bau des Eies im Thierreich lieferte 1836 R. Wagnek, der hier- bei zuerst auch im Keimbläschen den Keimfleck (macula germinativa) ent- deckte.
Mit der Begründung der Zellentheorie trat naturgemäss auch die Frage in den Vordergrund, in wie weit das Ei seiner Structur nach als Zelle aufgefasst werden könne, eine Frage, die Jahrzehnte lang im verschieden- sten Sinne beantwortet wurde und selbst jetzt noch von Zeit zu Zeit in veränderter Form immer wieder zur Discussion gestellt wird. Zwar er- klärte sich schon Schwann, wenn auch mit einer gewissen Reserve, dahin,
1) Eine lesenswerthe geschichtliche Darstellung der Theorie der Evolution und der /^^'"J Theorie der Epigenese gibt: A. Kirchhoff in seiner interessanten Schrift: Caspar Frikü- RK-H Wulff. Sein Leben und seine Bedeutung für die Lehre von der organisclien Ent- wicklung. Jenaische Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft Bd. IV. Leipzig 1868.|>. /i^i ii'j ■ "^ W. His Die Theorieen der geschlechtlichen Zeugung. Archiv für Anthropologie Hd IV u. V. ''■^
Beschreibung der Geschlechtsproducte. 21
dass das Ei eine Zelle und das Keimbläschen ihr Kern sei ; andere Zeit- genossen (BiscHOEF etc.) aber Hessen das Keimbläschen eine Zelle selbst sein und den Dotter eine Umhüllungsmasse derselben bilden. Eine Ueber- einstimmung der Anschauungen wurde hier erst herbeigeführt, als in der Histologie der Begriff „Zelle" überhaupt eine schärfere Fassung namentlich durch richtigere Erkenntniss des Zellenbildungsprocesses durch die Arbeiten von NlGELi, KöLLiKEB, Remak uud Leydig erhielt.
Eine besondere Schwierigkeit verursachte die Beurtheilung der Eier mit gesondertem Bildungs- und Nahrungsdotter und mit partieller Furchung. Zwei Ansichten haben sich hier lange Zeit einander gegenüber gestanden. Nach der einen Ansicht sind die Eier mit polständigem Nahrungsdotter zusammengesetzte Bildungen, die nicht als einfache Zellen bezeichnet wer- den können. Nur der Bildungsdotter mit dem Keimbläschen ist dem Ei der Säugethiere zu vergleichen, der Nahrungsdotter dagegen ist etwas der Ei- zelle von aussen neu aufgelagertes , eine Production des FoUikelepithels. Die Kügelchen des weissen Dotters werden für ein- und viel kernige Dotterzellen erklärt. Bildungs- und Nahrungsdotter zusammen werden dem ganzen Inhalt des GRAAFF'schen Bläschens der Säugethiere verglichen. In der Art äussern sich mit geringen Modificationen im Einzelnen H. Meckel, Allen Thomson, Ecker, Stbickee, His u. A.
Nach der entgegengesetzten Ansicht von Leückart, Kölliker, Gegen- BAUB, Haeckel, V. Beneden, Balfoür etc. ist das Ei der Vögel ebenso gut eine einfache Zelle wie das Ei der Säugethiere und der Vergleich mit einem GRAAFF'schen Bläschen zurückzuweisen. Der Dotter enthält niemals Zellen eingeschlossen , sondern nur Nahrungsbestandtheile. Wie Kölliker besonders gegen His gezeigt hat, schliessen die weissen Dotterkügelchen keine mit echten Zellenkernen vergleichbaren Bildungen ein und können daher auch nicht für Zellen erklärt werden. „Die Eier der Wirbelthiere mit partieller Furchung sind somit", wie schon 1861 Gegenbaub scharf formulirt hat, „keine wesentlich zusammengesetzteren Gebilde als die der übrigen Wirbelthiere; sie sind nichts anderes als zu besonderen Zwecken eigenthümlich umgewandelte kolossale Zellen , die aber nie diesen ihren Charakter aufgeben". — - An dieser Auffassung wird nichts geändert, auch wenn es sich herausstellen sollte, dass der Dotter von dem Follikelepithel mit gebildet und etwa als Secret von ihm ausgeschieden werden sollte. In diesem Fall hätten wir es nur mit einer besonderen Ernährungsvorrich- tung des Eies zu thun, dessen Zellennatur dadurch nicht in Frage gestellt werden kann.
Im Dotter sind verschiedene Bestandtheile mit besonderen Namen be- legt worden. Reicheet unterschied zuerst an dem Vogelei die feinkörnige Masse, welche das Keimbläschen einschliesst und die Keimscheibe herstellt, als Bildungsdotter, weil sie allein am Furchungsprocess theilnimmt und den Embryo liefert, die andere Hauptmasse des Eies nannte er Nahrungs- dotter, da sie nicht in Zellen zerfällt und später in einem Dottersack ein- geschlossen als Nahrungsmaterial aufgebraucht wird. His hat später dafür die Bezeichnung Haupt- und Nebenkeim eingeführt.
Während die Nomenclatur von Eeichebt und His nur für die Eier mit polständigem Nahrungsdotter passt, hat v. Beneden (1870) von allge- meineren Gesichtspunkten aus eine Eintheilung der Eisubstanzen vorgenom- men. Er unterscheidet zwischen der protoplasmatischen Grundsubstanz des Eies, in welcher sich, wie überhaupt in jeder Zelle, die Lebensprocesse abspielen, und zwischen den Reserve- und Nährstoffen, die in Form von Körnern, Plättchen und Kugeln in das Protoplasma abgelagert sind, und
22 Erstes Capitel.
bezeichnet dieselben als Deutoplasma. Jedes Ei besitzt beide Bestandtheile, nur in verschiedenen Mengeverhältnissen, in anderer Form und Yerthei- luDg, Das letztere Verhältniss hat Balfour zu einem Eintlieilungsprincip gewählt und hiernach die 3 Gruppen der alecithalen, telolecithalen und centrolecithalen Eier aufgestellt, wofür ich die Bezeichnung Eier mit weni- gem und gleichmässig vertheiltem Dotter, Eier mit polständigem und Eier mit mittelständigem Nahrungt-dotter gewählt habe.
In der neuern Zeit hat sich die Untersuchung der feineren Structur des Keimbläschens zugewandt, in welchem Kleinenberg noch ein besonde- res protoplasmatisches Kerngerüst oder Kernnetz, das seitdem als beständige Bildung durch zahlreiche Untersuchungen nachgewiesen ist, zuerst beob- achtet hat. Am Keimfleck unterschied ich zwei chemisch und morpholo- gisch unterschiedene Substanzen als Nuclein und Paranuclein, über deren Bedeutung und Rolle in der Eientwickelung die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind.
Die Geschichte der Samenfäden beginnt mit dem Jahre 1677. Ein Student Hamm in Leyden sah bei mikroskopischer Untersuchung des Samens die sich lebhaft bewegenden Gebilde und theilte seine Beobachtung seinem auf dem Gebiete der Mikroskopie berühmten Lehrer Leeuwfnhoeck mit, der genauere Untersuchungen anstellte und sie in mehreren allgemeines Aufsehen erregenden Aufsätzen veröffentlichte. Das Aufsehen war ein um so grösseres, als Leeüwenhoeck die Samenfäden für die pracexistirenden Keime der Thiere erklärte, sie bei der Befruchtung in die Eizelle eindringen und in ihr heranwachsen Hess. So entstand die Schule der Animalculisten.
IS'ach Beseitigung der Praeformationstheorie glaubte man den Samen- fäden keine Bedeutung für die Befruchtung beimessen zu sollen, indem man die Flüssigkeit befruchten liess. Noch in den ersten 4 Jahrzehnten dieses Jahrhunderts hielt man fast allgemein die Samenfäden für selb- ständige parasitische Geschöpfe (Spermatozoa^ den Infusorien vergleichbar. Noch in Jon. Müllee's Physiologie heisst es : „Ob die Samenthierchen parasitische Thiere oder belebte Urtheilchen des Thieres, in welchem sie vorkommen, sind, lässt sich für jetzt noch nicht mit Sicherheit beant- worten".
Die Entscheidung wurde herbeigeführt durch vergleichende histologische Untersuchungen des Samens im Thierreich und durch das physiologische Experiment.
In zwei Aufsätzen : (Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhält- nisse und der Samenflüssigkeit wirbelloser Thiere , sowie „Bildung der Samenfäden in Bläschen") zeigte Köllikee, dass bei manchen Thieren, wie z. B. bei den Polypen, der Samen nur aus Fäden besteht, während die Flüssigkeit ganz fehlt, dass ferner die Fäden sich in Zellen entwickeln und daher thierische Elementartheile salbst sind. Gleiches fand Reichert für die Nematoden. Durch das physiologische Experiment aber erkannte man, dass Samenflüssigkeit mit unreifen, bewegungslosen Fäden und ebenso filtrirter reifer Samen nicht befruchte. Dies wurde für die Anschauung bestimmend, dass die Samenfäden die bei der Befruchtung wirksamen Theile sind und dass die bei den höheren Thieren unter complicirten Geschlechts- verhältnissen hinzutretenden Flüssigkeiten nur als „Menstruum der Samen- körperchen von untergeordneter physiologischer Bedeutung angesehen wer- den dürfen".
Seitdem haben unsere Kenntnisse 1) über den feineren Bau und 2) über die Entwicklung der Samenfäden noch weitere Fortschritte gemacht. Was den ersten Punkt betrifft, so lernte man namentlich durch Arbeiten von
Beschreibung der Geschlechtsproducte. 23
La Valette und Schweiger-Seidel Kopf, Mittelstück und Schwanz unter- scheiden und ihre verschiedenen chemischen und physicalischen Eigen- schaften kennen. Die von Köllikek geäusserte Anschauung, dass für ge- wöhnlich die Samenfäden die umgewandelten und in die Länge gewachsenen Kerne der Samenzellen seien, erlitt Modifikationen. Nach den Unter- suchungen von La Valette entsteht nur der Kopf des Samenfadens aus dem Kern , der Schwanz dagegen aus dem Protoplasma der Spermatocyte. Endlich führte Flewming neuerdings den überzeugenden Nachweis, dass es nur das Chromatin des Kernes ist, welches sich zum Samenfadenkopf um- bildet. Eine interessante und genaue Beschreibung von der Entwicklung der eigenartig gestalteten Samenfäden der Nematoden haben v. Bekeden und JuLiN sowie Nussräüm gegeben.
Zusammenfassung".
Die wichtigsten Ergebnisse des Capitels fassen wir kurz dahin zu- sammen :
1. Weibliche und männliche Geschlechtsproducte sind einfache Zellen.
2. Die Samenfäden sind Geisseizellen vergleichbar und entstehen durch Umbildung einer einfachen Zelle. Sie setzen sich meist aus drei Abschnitten zusammen, aus dem Kopf, dem Mittelstilck und dem con- tractilen Faden. Der Kopf und wahrscheinlich auch das Mittelstück entwickeln sich aus den Kernsubstanzen der Spermatocyte, der Faden ist umgewandeltes Protoplasma.
3. Die Eizelle besteht aus Eiplasma und eingelagerten Dotter- theilen, die Reservestoflfe sind (Deutoplasma). Je nach dem Gehalt an Dottertheilen und je nach ihrer Vertheilung im Eiplasma zerfallen die Eier in zwei Gruppen:
A, in Eier mit wenigem und gleichmässig im Eiplasma vertheiltem Deutoplasma (Alecithale).
B. in Eier mit ungleichmässig vertheiltem Deutoplasma. Ist die Sonderung des Eies in einen protoplasmareicheren und in einen deutoplasmareicheren Abschnitt in höherem Grade erfolgt, so vollziehen sich an dem ersteren allein die Entwicklungsprocesse, während der letztere sich im Ganzen passiv verhält. Insofern unterscheidet man jezt im Eiinhalt einen Bildungsdotter und einen Nahrungsdotter.
4. Die Eier mit ungleichmässig vertheiltem Deutoplasma sondert man in zwei Untergruppen:
A. in Eier mit polständigem Nahrungsdotter (telolecithal), mit ani- malem und vegetativem Pole, mit Entwicklung einer Keimscheibe.
B. in Eier mit mittelständigem Nahrungsdotter (centrolecithal) mit Entwicklung einer Keimhaut.
5. Die Classification der thierischen Eier veranschaulicht folgendes Schema.
I. Einfache Eier. A. mit wenigem und gleichmässig im Eiplasma vertheiltem Deuto- plasma.
24 Erstes Capitel. Beschreibung der Geschlechtsproductc.
B. mit leiclilicheiii und ungluichniässig im Eiplasma vertbeiltem Deutoplasma.
a) mit polstäudigem Nahriingsdottcr.
b) mit mittelstäüdigem Nahriingsdottcr.
II. Zusammengesetzte Eier.
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S. 345. {Ausführliches Vcrrzcichniss der Literatur über Samenfäden )
ZWEITES CAPITEL.
Die Reifeerscheinungen des Eies und der Befruchtungspro cess.
1. Die Reifeersclieiniiiigeii.
Eier, wie sie im vorausgegangenen Capitel beschrieben wurden, sind noch nicht entwickluugsfähig, auch weuu sie die normale Grösse erlangt haben. Bei Zusatz reifen Samens bleiben sie unbefruchtet. Sie sind mit einem Worte noch unreif. Um befruchtet werden zu können, müssen sie zuvor eine Reihe von Veränderungen durchmachen , welche ich als die R e i f e e r s c h e i n u n g e n zusammenfassen will.
Die Reifeerscheinungen beginnen mit Veränderungen des Keimbläs- chens, die am genauesten bei kleineu durchsichtigen Eiern wirbelloser Thiere wie der Echinodermen verfolgt worden sind. Das Keimbläschen rückt aus der Mitte des Eies — zur Grundlage der Beschreibung mag uns das Ei eines Echinodermen dienen — allmählich nach der Ober- fläche empor, schrumpft ein wenig ein (Fig. 11 Ä) , indem Flüssigkeit in den umgebenden Dotter austritt, seine Kernmembran schwindet, der Keimfleck wird undeutlich und scheint sich schliesslich aufzulösen. (Fig. 11 B hf). Während dieser Rückbildung des Keimbläs- chens bildet sich, wie allein bei geeigneter Behandlung mit Reagentien
A B
Fig. 11. Ausschnitte aus Eiern von Asterias glacialis.
Sie zeigen die Rückbildung des Keimbläschens. In Figur Ä beginnt dasselbe zu schrumpfen, indem ein Protoplasmahöcker (x) in sein Inneres eindringt und die Membran daselbst auflöst. Der Keimfleck [kf) ist noch deutlich, aber in 2 Substanzen, Nuclein (/«?«) und Paranuclein {pn), gesondert
In Figur B ist das Keimbläsehen [kb) ganz gesclirumpft, seine Membran ist aufgelöst, der Keimfleck (kf) nur noch in kleinen Resten vorhanden. In der Gegend des Proto- plasmahöckers der Figur Ä ist eine Kernspindel sp in Ausbildung begriffen.
26 Zweites Capitel.
wahrgenoni nien werden kanu, aus T heilen des sich auflösenden Keim fleck s oder aus einem Theil der Kernsubstanz des Keimbläschens eine Kernspindel (Fig. 11 B sp.) aus, also jene Form des Kerns, welche man im Tliier- und Pflanzenreich im Vorbe- reitungsstadium zur Zelltheilung antriflt.
Die Kernspindel, deren genauere Structur erst später bei Besprechung des Furchungsprocesses dargestellt werden soll, verfolgt den vom Keim- l)lcisclien bereits eingeschlagenen Weg noch weiter, bis sie mit ihrer Spitze an die Olterfläche des Dotters anstösst, wo sie sich mit ihrer Längsachse in die liichtung eines Eiradius stellt (Fig. 12. I. sjh). Bald kommt es hier zu einem ächten Zelltheilungsproccss , der nur dadurch
I. IL IIL
^r^A'^v^'
eK
ir. r. VI.
Fig. 12. Bildung der Polzellen bei Asterias glacialis.
In Fig. / ist die Polspindel s^' *^" '^'^ Oberfläche des Eies gerückt. In Fig. // hat sich ein kleiner Hügel (»•/;') gebildet, der die Hälfte der Spindel aufnimint. In Fig. III ist der Hügel zu einer Polzelle (ja;') abgeschnürt. Aus der Hälfte der früheren Spindel ist wieder eine zweite vollständige Spindel (sp) entstanden. In Fig. IV wölbt sich unter der ersten Polzelle ein zweiter Hügel hervor, der sich in Fig. V zur zweiten Polzelle (rk^) abgeschnürt hat. Aus dem Kest der Spindel entwickelt sich der Eikern {eh) in Fig. VI.
vom gewöhnlichen Vorgang unterschieden ist, dass die beiden Thei- lungsproducte von sehr ungleicher Grösse sind. Genauer gesagt, haben wir es also mit einer Zell knospung zu thiin. An der Stelle, wo die Kernspind(!l mit ihrer einen Spitze anstösst, wölbt sich der Dotter zu einem kleinen Hügel empor, in welchen die Spindel sell)st zur Hälfte hineinrückt (Fig. 12 II). Der Hügel schnürt sich darauf an seiner Basis ein und löst sich mit der Hälfte der Spindel, aus welcher sich später wieder ein bläschenförmiger Kern hervorbildet, vom Dotter als eine sehr kleine Zelle al) (Fig. 12 III rk'). Hierauf wiederholt sich genau derselbe Vorgang noch einmal ,. nachdem sich die im Ei zurück- gebliebene Hälfte der Spindel wieder zu einer ganzen Spindel ergänzt hat (Fig. 12. IV).
Es liegen nun dicht bei einander zwei kleine Kügelchen, dieRich- t u n g s k ö r p e r oder P o 1 z e 1 1 e n , der ( )berfläche des Dotters auf (Fig. 12 V rJc\ rJc'^) , und sind hier oft noch zu einer Zeit, wo das Ei bereits in einen Haufen kleiner Zellen zerfallen ist, unverändert nach- zuweisen. Im Ei selbst aber entwickelt sich an der Aus trittssteile der
Keifeerscheinungen des Eies und der Befruchtungsprocess.
27
zweiten Polzelle aus der Hälfte der Spindel ( V ii. VI cJc.) , die nach Beendigung des zweiten Knospungsprocesses in der Dotterrinde zurück- geblieben ist, ein neuer kleiner bläschenförmiger Kern, der aus einer homogenen ziemlich flüssigen Sul)staiiz ohne deutlich gesonderte Kern- körperchen besteht und etwa einen Durchmesser von 13 /< erreicht. Vt>n seiner Bildungsstelle aus wandert er allmählich in der Regel wieder mehr nach der Mitte des Eies zurück.
Der Kern des reifen Eies (Fig. 13 e7c) ist von mir als Eikcrii, von V. Beneden als Pronucleus femelle oder weildicher Vorkern l)e- zeichnet worden. Derselbe ist, nachdem man jetzt mit den Kernverän- derungen bekannt geworden ist, mit dem Keimbläschen des un- reifen Eies gar nicht zu verwechseln. Man vergleiche die bei der- selben Vergrösseruug gezeichneten Figuren, das unreife (Fig. 14) und das reife Ei (Fig. 13) eines Echinodermen. Das Keimbläschen ist von
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Fig. 13. Fig. 14.
Fig. 13. Reifes Ei eines Echinodermen. Dasselbe schliesst im Dotter den sehr kleinen liomogenen Eikern (ek) ein.
Fig. 14. Unreifes Ei ans dem Eierstock eines Echinodermen.
sehr ansehnlicher Grösse, der Eikern verschwindend klein; an jenem unterscheidet man eine deutlich entwickelte Kernmembran, ein Kernnetz und Keimflecke, dieser ist nahezu homogen, ohne Keimflecke und gegen das Protoplasma durch keine feste Membran al)gegrenzt. Aehnliche Unterschiede kehren überall in der Beschaflenheit des Keimbläschens und des Eikerns wieder.
Die Bildung von Polzellen und die hiermit zusammenhängende Um- wandlung des Keimbläschens in einen so ausserordentlich viel kleineren Eikern ist eine im Thierreich sehr weit verbreitete, wie es scheint, sogar allgemeine Erscheinung. So ist sie überall bei Coelenteraten und Echino- dermen, bei Würmern und bei Mollusken beobachtet worden. Bei der Eireife der Arthropoden schienen nach den älteren Beoliachtungen Pol- zellen niemals vorzukommen , sind aber in der Neuzeit bei zahlreichen Arten von mehreren Seiten, besonders von Weismann und Blochmann aufgefunden worden. Im Stamm der Wirbelthiere treö'en wir Polzellen stets bei den Cyclostomen und den Säugethieren an , während sie bei Fischen und Amphibien in einigen Fällen, bei Reptilien und Vögeln über- haupt noch nicht haben nachgewiesen werden können. Ihre Entstehung geht entweder einige Zeit der Befruchtung voran oder vollzieht sich erst während derselben.
28 Zweites Capitel.
Bei den Säuj,^etliiereii (Kaninchen) ist der Vorgang durch van Be- neden am genauesten untersucht worden. Mehrere Wochen vor dem PUitzen des GjiAAFr'schen BUischens rückt das Keinil)läschen an die Oberfläche des Eies empor; einige Tage vor demselben Termin ver- schwindet es hier und bilden sich an derselben Stelle, wo es geschwun- den ist, der Eikern und zwei unter der Zona pellucida gelegene Pol- zellen aus. Das aus dem Ovarium ausgetretene Ei zeigt stets Eikern und Polzellen.
Auch bei den Eischen , Amphibien , Reptilien und Vögeln , deren Eier von bedeutender Gnisse und luu- mit wenigen Ausnahmen undurch- sichtig sind, erfährt das durch seine zahlreichen Nucleoli ausgezeichnete Keimbläschen eine rückschreitende Metamorphose. Stets steigt es, wie von Oellacher bei den Knochenfischen , von mir l)ei den Amphil)ien Schritt für Schritt verfolgt worden ist, aus der Mitte des Dotters nach der ( )l)erfiäche, und zwar ausnahmslos zum animalen Pol desselben em])or, beim Erosch (Eig. 15 kh) schon viele Wochen vor dem Eintritt der Reife.
Fig. 15. In Reife begriffenes Froschei.
Das Keimbläsclien kh mit zuhlreiclien Keimflecken {Jcf) liegt ganz an der Oberfläche des auiinalen Poles als plattgedrückter linsenförmiger Körper.
Hier plattet es sich unmittell)ar unter der Dotterhaut unter Schrum- pfungserscheinungen zu einem flachen scheilienförmigen Körper ab. Wei- tere Veränderungen, die im Einzelnen sehr mühsam zu verfolgen sind, spielen sich in verhältnissmässig kurzer Zeit und zwar bei den Am- phibien dann ab, wenn sich die Eier aus dem Ovarium loslösen. Denn untersucht man solche, die in die Bauchhöhle schon entleert oder in die Eileiter eingetreten sind, so findet man regelmässig das Keimbläs- chen mit seinen Keimflecken geschwunden. Dass hierbei zwei Richtungs- körper und ein Eikern aus einem Theil der chromatischen Sul^stanz des Keimbläschens gebildet werden , haben die schönen Untersuchungen von Hoffmann für einige Arten der Knochenfische, von 0. Schultze für mehrere Amphibien (Siredon, Triton) ergeben.
Eine sehr interessante Thatsache, deren weitere Verfolgung viel- leicht noch einiges Lieht über die Reife- und Befruchtungserscheinungen verbreiten wird, haben \^■EISMANN und Blochmann bei den Arthropoden entdeckt. Bei Eiern nämlich, welche sich parthenogenetisch weiter ent- wickeln (Sommereiern von Polyphemus , Bythotreplies , Moina, Lepto- dora, Daphnia sowie von Aphiden) wird stets nur eine einzige Polzelle ausgestossen, während bei Eiern, die zur Weiterentwicklung noch der Befruchtung bedürfen, sich immer zwei l)ilden.
Wenn die Untersuchungen über die Reifeerscheinungen des thie- rischen Eies auch noch zahlreiche Lücken darbieten, so kann zur Zeit wenigstens so viel als feststehende Regel betrachtet werden, dass Eier mit Keim])läschen niemals befruchtungsfähig sind, dass das Keimbläschen ausnahmslos aufgelöst wird
Reifeerscheinuntren des Eies und der Befruchtungsprocess. 29
uud dass wahrscheinlich aus Bestandthei len desselben (im Einzelnen sind viele Vorgänge noch genauer zu untersuchen) ein sehr kleiner Eikern gel)ildet wird. Während der Um- wandlung entstehen Pol z eilen wohl ausnahmslos.
Mit den Eeifeerscheinungen lässt sich die polare Di ff er en- zirung, die im ersten Capitel l)ei vielen dotterreichen Eiern nachge- wiesen wurde, in einen ursächlichen Zusammenhang bringen. Ohne Ausnahme wird derjenige Theil der Eikugel, zu welchem das Keim- bläschen emporsteigt und wo später eventuell die Polzellen gebildet werden, der animale Pol. Dass sich hier Protoplasma in grösserer Menge ansammelt, ist zum Theil darauf zurückzuführen, dass es mit dem Kern , der ja meist ein Attractionscentrum für das Protoplasma abgibt, an die Oberfläche des Eies gelangt.
Der Einblick in die Reifeerscheinungen des Eies, wie sie auf den vorausgegangenen Seiten im Zusammenhang dargestellt worden sind, ist erst auf vielen Umwegen und nach Beseitigung vieler Missverständnisse ge- wonnen worden. Schon im Jahre 1825 fand Purkinje, der Entdecker des Keimbläschens im Hühnei'ei , dass dieses in Eiern , die dem Oviduct ent- nommen wurden, verschwunden sei, und schloss daraus, dass es durch die Contractionen des Eileiters zersprengt und sein Inhalt (eine lympha gene- ratrix) mit dem Keim vermischt werde. Daher der Name vesicula germi- nativa. Aehnliches wurde an diesen und anderen Objecten durch C. E. v. Baee, Oellacher, Goette, Kleinenberg, Koavalevskt, Keicheet etc. beobachtet. Auf der andern Seite aber waren für viele Eier auch wieder die bestimm- ten Angaben gemacht worden , dass das "Keimbläschen nicht schwinden, sondern erhalten bleiben und bei der Furchung sich direkt in die Tochter- kerne theilen sollte, so von Joh. Müller für Entoconcha mirabilis, von Leydig, Gegenbaur, van Beneden für Bädertliiere, Medusen etc.
Es standen sich daher in früheren Decennien zwei Parteien gegenüber: die eine behauptete Fortbestand des Keimbläschens uud Theilung desselben beim Furchungsprocess; die andere Hess die Eizelle in ihrer Entwicklung einen kernlosen Zustand durchlaufen und erst in Folge der Befruchtung wieder einen Kern erhalten.
Die strittigen Punkte wurden durch Untersuchungen, die Bütschli und ich gleichzeitig unternommen hatten, einer Klärung entgegeugeführt.
Ich zeigte in meinem ersten Beitrag zur Kenntniss der Bildung, Be- fruchtung und Theilung des thierischen Eies, dass man in allen älteren Schriften nicht zwischen dem Kern des unreifen, des reifen und des be- fruchteten Eies unterschieden, sondern die Kerne vielfach verwechselt und für identisch gehalten habe, und stellte zuerst die Unterschiede zwischen Keimbläschen, Eikern und Furchungskern fest, welche letztere Benennungen von mir eingeführt wurden. Ferner zeigte ich, dass der Schwund des Keimbläschens und die Entstehung des Eikerns der Befruchtung voraus- gehen, und unterschied so die allgemein verwechs^elten und zusammen- geworfenen Reife- und Befruchtungserscheinungen der Eizelle. Auch suchte ich wahrscheinlich zu machen , dass der Eikern vom Keimbläschen und zwar von einem Nucleolus desselben abstamme, und vertheidigte die These, dass das Ei bei seiner Reife keinen kernlosen Zustand durchlaufe. Hier- bei verfiel ich in einen Irrthum, ich übersah, wie alle früheren Forschei", den Zusammenhang zwischen der Bildung der Richtungskörper und dem Schwund des Keimbläschens, einen Vorgang, der bei meinem Unter-
30 Zweites Capitel.
suchungsobjekt schwieriger festzustellen war, weil er bereits im Eierstock abläuft.
In dieser Beziehung traten die vortrefflichen Untersuchungen von BüTscHLi ergänzend ein, der die Veränderungen des Keimbläschens mit der Bildung der Polzellen in Zusammenhang brachte. Diese waren schon im Jahre 1848 durch Fr. Müller und Lovkn entdeckt und von ersterem Rich- tungsbläschen genannt worden, weil sie stets an der Stelle liegen, wo später die erste Theilfurche erscheint. Auch war ihre weite Verbreitung im Thier- reiche durch viele Forscher nachgewiesen worden; BfJTscHLi jedoch lenkte zuerst die Aufmerksamkeit auf die eigenthümlichen im Dotter sich ab- spielenden Vorgänge, bei deren Deutung er freilich in mehrfacher Hinsicht Irrthümer beging. Er liess sich das ganze Keimbläschen in eiuen spindel- förmigen Kern umwandeln, diesen an die Oberfläche rücken und, indem er in seiner Mitte eingeschnürt wird, in der Gestalt zweier Eichtungskörper durch Contractionen des Dotters nach aussen hervorgestossen werden. Durch diesen Vorgang sollte das Ei kernlos werden und erst in Folge der Befruchtung wieder einen neuen Kern gewinnen.
In 2 weiteren Abhandlungen zur Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies modificirte ich die BüTSCHLi'sche Lehre und brachte sie mit meinen vorausgegangenen Untersuchungen in Einklang, indem ich zeigte, dass das Keimbläschen sich nicht als solches direct in die Kern- spindel umwandelt, sondern sich theilweise auflöst, dass die Spindel in einer schwieriger zu untersuchenden Weise aus der Kernsubstanz ihren Ursprung nimmt, dass die Polzellen sich nicht durch Ausstossung der Spin- del, sondern durch einen ächten Theilungs- oder Knospungsprocess bilden, dass in Folge dessen auch nach der Abschnürung der zweiten Polzelle das Ei nicht kernlos wird, sondern dass von der im Dotter zurückbleibenden Hälfte der sich theilenden Polspindel der Eikern hervorgeht, welcher mit- hin in letzter Instanz von Bestandtheilen des Keimbläschens der unreifen Eizelle abstammt.
Bald darauf deutete auch Bütschli die Entwicklung der Eichtungs- körper als Zellknospung, desgleichen Giard und Fol, welcher eine sehr umfassende und gründliche Untersuchung über die Eeifeerscheinungen des thierischen Eies geliefert hat. Neuerdings hat sich v. Beneden gegen die Deutung des Processes als Zellknospung gewandt, gestützt auf Unter- suchungen an Neiflatoden; doch können ihm hierin Boveri und 0. Zachä- RiAS nicht beipflichten, welche eine vollständige Uebereinstimmung zwischen der Entwicklung der Eichtungskörper und einem Zelltheilungsprocess auch für die Nematoden nachweisen.
Wenn auf morphologischem Gebiet das ursprüngliche Dunkel, in welches die Eeifeerscheinungen des Eies eingehüllt waren, im Ganzen auf- gehellt worden ist, so ist dies nicht so der Fall, wenn wir nach ihrer physiologischen Bedeutung fragen. Dass das Keimbläschen in einzelnen Bestandtheilen eine regressive Metamorphose erfährt, ist leicht verständlich, da eine derbe Kernmembran und eine reichliche Ansammlung von Kernsaft einem Zusammenwirken von Protoplasma und activer Kernsubstanz bei den Theilungsvorgängen nicht förderlich sein kann. Ihre Auflösung ist gleich- sam die Vorbedingung für eine erneute Thätigkeit des Kerninhalts. Aber welche Eolle soll man den Polzellen zuertheilen ?
Mehrere Hypothesen sind hierüber aufgestellt worden : Balfoue, Sedgwick, Minot, van Beneden und Andere sind der Ansicht, dass das unreife Ei, wie jede andere Zelle, ursprünglich hermaphrodit sei und sich durch die Entwicklung der Polzellen gleichsam der männlichen
Reifeersclieiuungeu des Eies und der Befruclitniigsprocess. 31
Bestandtheile seines Kerns entledige, welche darauf durch die Befruchtung wieder ersetzt würden. Balfour meint, dass, wenn keine Polzellen gebildet würden, normaler Weise Parthenogenese eintreten müsste.
In ähnlicher Weise sucht Weismänn die Polzellen zu deuten , theilt aber, gestützt auf seine Entdeckung bei parthenogeuetisch sich entwickeln- den Eiern (S. 28) der ersten und der zweiten Polzelle eine verschiedene physiologische Function zu. Im Keimbläschen unterscheidet er zwei ver- schiedene Arten von Plasma, die er als ovogenes und Keimplasma bezeich- net. Durch die Bildung der ersten Polzelle lässt er nun das ovogene Plasma aus der Eizelle entfernt werden, durch die zweite Polzelle die Hälfte des Keimplasma. Im letzteren Falle muss das ausgestossene Keim- plasma durch die Befruchtung ersetzt werden.
Mir scheinen diese Hypothesen bei näherer Prüfung manche Angriffs- puncte zu bieten. Mehr sagt mir eine Deutung Bdtschli's zu, der das Ei, wie schon vielfach geschehen , einer Samenmutterzelle vergleicht. Wie diese vielen Samenfäden den Ursprung gibt, so soll auch das Ei einst die Fähigkeit besessen haben, sich in viele Eizellen zu theilen. In der Bil- dung der Polzellen, die gleichsam rudimentär gewordene Eier sind, hat sich noch ein Anklang an diese ursprünglichen Verhältnisse erhalten. Auch BovERi betrachtet die Polzellen als Abortiveier. In dieser Weise habe ich srleichfalls die Verhältnisse immer aufgefasst.
B^
3. Der Befruchtuiigsprocess.
Die Vereinigung von Ei- und Samenzelle bezeichnet man als den Befruchtuugsvorgang. Derselbe ist, je nach der Wahl der Versuchs- thiere, bald sehr schwer, bald ziemlich leicht zu beobachten. Auf grosse Schwierigkeiten stösst die Untersuchung überall da, wo die reifen Eier nicht nach aussen abgelegt werden, sondern einen Theil, wenn nicht ihre ganze Entwicklung innerhalb der Ausfülirwege des mütter- lichen Organismus durchlaufen. In solchen Fällen muss selbstverständ- licher Weise auch die Befruchtung in den Ausführwegen des weiblichen Geschlechtsapparates vor sich gehen , in welche der Same durch den Act der Begattung eingeführt wird.
Eine innere Befruchtung findet bei fast allen Wirbelthieren mit Ausnahme der meisten Fische und vieler Amphibien statt. Es treffen in der Regel Ei und Samenfäden bei dem Menschen und den Säugethieren im Anfangstheil der Eileiter zusammen, desgleichen bei den Vögeln im ersten der vier oben unterschiedenen Abschnitte (S. 14) zu einer Zeit, wo sich der Dotter noch nicht mit der Eiweisshülle und der Kalkschale umgeben hat.
Der inneren steht die äussere Befruchtung gegenüber, welche die einfachere und ursprünglichere ist und noch bei vielen im Wasser leben- den wirbellosen Thieren sowie gewöhnlich bei Fischen und Amphi])ien vorkommt. Hier werden die beiderlei, meist in grosser Menge er- zeugten Geschlechtsproducte, indem Weibchen und Männchen sich nahe bei einander auflialten, direct in das Wasser entleert, woselbst die Be- fruchtung ausserhalb des mütterlichen Organismus stattfindet. Der ganze Vorgang ist daher der Beobachtung viel mehr zugänglich. Der Experimentator hat es hier in seiner Hand, die Befruchtung künstlich auszuführen und so genau den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem Ei und Samenfäden zusammentreffen sollen. Er braucht nur von einem Weibchen reife Eier in einem Uhrschälchen mit Wasser zu sammeln,
32
Zweites Capitel.
desgleichen in einem zweiten Ubrscliälclien reifen Samen von einem Männchen und dann in geeigneter Weise beide zu mischen. In dieser Weise wird die künstUche Befruchtung in der Fischzucht vielfach prac- tisch geübt. Zum Zweck wissenschaftlicher Untersuchung ist die Aus- wahl der besonderen Thierart von grosser Bedeutung. Es liegt auf der Hand
dass Thiere mit grossen undui'chsichtigen Eiern sich nicht em-
pfehlen , dagegen diejenigen Arten sehr
geeignet
sind, deren Eier so
klein und durchsichtig sind, dass man sie unter dem Mikroskop mit den stärksten A'ergrösseruugen beobachten und jedes Fleckchen dabei durchmustern kann. Solche ganz vorzüglichen Untersuchungsobjecte bieten uns viele im Meervvasser lebenden Echinodermeuarten. Au ihnen hat man in Folge dessen auch zuerst einen genaueren Einblick in die Befruchtungsvorgänge gewonnen. Sie mögen uns daher auch im Folgenden zur Grundlage unserer Darstellung dienen.
Wenn man aus dem Eierstock reife Eier mit Eikern in ein Uhr- schälchen mit Meerwasser entleert und eine geringe Menge von Sa- mentiüssigkeit hinzufügt, so erhält man ein sehr gleichmässiges Re- sultat, indem von vielen Hunderten oder Tausenden von Eiern ein jedes binnen 5 Minuten in normaler und bei starker Vergrösserung genau zu verfolgender Weise befruchtet wird (Fig. 16).
Obwohl an die Gallerthülle eines Eies sich sehr zahlreiche, bei Anwendung starken Samens viele tausend Samenfäden ansetzen, so be- fruchtet von diesen doch nur ein einziges und zwar dasjenige, welches sich zuerst dem Ei durch die peitschenförmigen Bewegungen seines Fadens genähert hat. Wo dasselbe mit der Spitze seines Kojjfes an die Eioberfläche anstösst, erhebt sich daselbst sofort die helle ober- flächlich ausgebreitete Protoidasmaschicht zu einem kleinen, oft in eine feine Spitze verlängerten Höcker, zu dem sogenannten Empfängniss- hügel, an welchem sich der Samenfaden unter pendelnden Bewegungen seines Schwanzanhanges in das Ei einbohrt (Fig. 16 Ä und B). Gleich-
B
C
..»
Fig. 16. A. JB. C, Kleinere Abschnitte von Eiern von Asterias glacialis n:uli Foi..
Die Samenläden sind bereits in die Schleimluille , welclie die Eier übeizielit , einge- diungen. In A beginnt sich eine Vorragung gegen den am weitesten vorgedrungenen Samenfaden zu erheben. In ß sind Vorragung und Samenfaden zusammengetroffen. In 0 ist der Samenfaden in das Ki eingedrungen. Es hat sicli jetzt eine Dottermembran mit einer kraterförmigen Oetlnung deutlich ausgebildet.
zeitig l()st sich von der ganzen Oberfläche des Dotters vom Emi)fäng- nisshügel beginnend eine feine; Membran (Fig. 16 (') ringsum ab und wird von ihr durch einen immer grösser werdenden Zwischenraum ge-
Keifeersclieinungen des Eies und der Befnichtungsprocess. 33
trennt. Der Zwischenraum entsteht wahrscheinlich dadurch, dass sich in Folge der Befruchtung das Eii)lasma zusammenzieht und Flüssigkeit (wahrscheinlich den nach der Neubildung des Keimbläschens vertheilten Kernsaft) nach aussen presst. Ob die sich erheljende Dotterhaut schon vorher vorhanden oder erst im Moment der Befruchtung gebildet worden ist, mag dahingestellt bleiben. Für den Befruchtungsakt aber scheint sie die Bedeutung zu haben, dass, wenn sie vom Dotter getrennt ist, ein Eindringen anderer Samenfäden unmöglich gemacht ist. Jedenfalls gelangt jetzt von den andern in der Gallerthülle hin und her schwin- genden Samenzellen keine einzige mehr in das befruchtete Ei hinein. Der Eindringling erfährt hierauf eine Keihe weiterer Veränderungen. Der contractile Faden hört zu schlagen auf und entzieht sich bald der Beobachtung, aus dem Kopf aber, der, wie schon oben bemerkt wurde, vom Kern der Samenmutterzelle abstammt und aus Xuclein besteht, entwickelt sich alsbald ein sehr kleines, dann etwas grösser werdendes, rundliches oder ovales Körperchen, der Samen- oder Spermakern (Fig. 17. s/j), dieser rückt langsam in den Dotter tiefer liinein, wobei er auf das Protoplasma der Umgebung eine Wirkung ausübt. Denn di(^ses ordnet sich in radiären Bahnen um den Samenkern (sh.) an, so dass eine Strahlenfigur entsteht, welche anfänglich klein, später immer schärfer ausgeprägt und weiter ausgedehnt wird.
eh
eh
Fig. 17. Fig. 18.
Fig. 17. Befruchtetes Ei eines Seeigels.
Der Kopf des eingedrungenen Samenfadens hat sich in den von einer Protoplasma- strahlung eingeschlossenen Samenkern [sk) umgewandelt und ist dem Eikern (eh) entgegen- gerückt.
Fig. 18. Befruchtetes Ei eines Seeigels.
Der Samenkern sh und der Eikern eh sind nahe zusammengerückt und sind beide von einer Protoplasmastrahlung umgeben.
Jetzt Ijeginnt ein interessantes Phänomen das Auge des Beol)achters zu fesseln. Ei- und Samenkern üben gleichsam eine Anziehung auf einander aus und l)ewegen sich mit wachsender Geschwindigkeit durch den Dotter entgegen; der Samenkern (sä;.), von seiner Protoplasma- strahlung umhüllt, verändert hierbei rascher seineu Ort, langsamer der Eikern {elz). Bald treö'en sich beide entweder in der Mitte des Eies oder wenigstens in ihrer Nähe (Fig. 18), werden von einer gemeinsamen, nunmehr über die ganze Dottersubstanz ausgedehnten Strahlung um- schlossen, legen sich fest aneinander, platten sich an der Berührungs- fläche ab und verschmelzen schliesslich unter einander (Fig. 19 fk).
0. Hortwig, Entwicklungsgeschichte. 2. Anfi. Q
34
Zweites Capitel.
A- fh
Fig. 19. Ei eines Seeigels gleich nach beendeter Befruchtung. Ei- und Samenkern sind zum Furchungskern verschmolzeu, der im Centrnm einer Protoplasmastrahlung liegt.
Das Product ihrer Verschmelzimg stellt den ersten Furcliuugskern {fh) dar, an Avelchera sich die zur Zelltheilung führenden weiteren Ver- änderungen abspielen.
Der ganze so interessante Befruch- tungsvorgang hat nur die kurze Zeit von etwa 10 Minuten für sich in An- spruch genommen. —
Es ist hier der Ort, auch in Kürze der sogenannten Mikropyleii zu ge- denken. Bei manchen Thieren sind die Eier, ehe sie befruchtet werden, z. B. bei Artliropoden, bei Fischen etc. von einer dicken und festen, für die Samen- fäden undurchdringlichen Hülle einge-
schlossen. Um nun die Befruchtung zu ermöglichen, finden sich hier an einer bestimmten Stelle der Eihülle eine kleine oder mehrere kleine Oefihungen (Mikro- pylen), an denen sich die Samenfäden ansammeln und in das Innere des Eies hineinschlüpfen. —
Die an den Echinodermen entdeckten Befruchtungserscheiuungen sind bald auch an zahlreichen anderen Objecten vollständig oder wenig- stens theilweise beobachtet worden, bei Coelenteraten und bei Würmern, unter denen die Nematoden sehr vorzügliche Untersuchungsobjecte liefern (NUSSBAUM, v. Beneden, Carnoy, Zacharias, Boveri), bei Mollusken und bei den Wirbelthieren. Was letztere betrifft, so hat man bei Pe- tromyzon das Eindringen eines Samenfadens in das Ei durch eine besonders präformirte Mikropyle in der Dotterhaut genau verfolgen können. (Calberla, Kupffer und Benecke). Bei Amphibien gelang es gleichfalls den Nachweis zu führen, dass nach der Befruchtung sich am animalen Pole ein Samenkern bildet und dass derselbe umhüllt von einem Pigmenthof, der von der Dotterrinde abstammt, auf einen zweiten tiefer gelegenen Eikern zu rückt und mit ihm verschmilzt (0. Hertw^ig, Bambeke, Born). Bei Säugethieren findet die Befruchtung im Anfang der Eileiter statt. Für sie ist wenigstens der Nachweis erbracht worden, dass nach der Ablösung der Polzellen vorübergehend 2 Kerne in der Eizelle zu sehen sind und dass beide im Centrum des Eies sich zum Furchungskern verbinden (v. Beneden).
Die hier mitgetheilten Befruchtungsvorgänge können für das Thier- reich als typische bezeichnet werden. Sie scheinen aber auch in ganz derselben Weise allgemein im Pflanzenreiche wieder zu kehren, wie durch die gründlichen Untersuchungen von Strashurger dargethan worden ist. Wir sind daher jetzt mehr als früher in der Lage, eine auf eine Reihe von Thatsachen gestützte Theorie der Befruchtung auf- stellen zu können:
Bei der Befruchtung finden deutlich nachweisbare , morphologische Vorgänge statt. Bei diesen ist das Wichtige und Wesentliche die Vereinigung zweier ge- schlechtlich differenzirter Zellenkerne, eines weib- lichen Ei- und eines männlichen Samenkerns. Diese enthalten die befru eilten de Kern Substanz, welche ein
Reifeerscheinungen des Eies und der Befruchtungsprocess. 35
orgauisirter Körper ist und als solche bei der Befruch- tung zur Wirkung kommt.
Man hat neuerdings auch den Versuch gemacht, die Befruch- tungstheorie in eine Vererbungstheorie zu erweitern. Es ist dies möglich, wenn man in der befruchtenden Substanz zugleich auch die Trägerin der vererbbaren Eigenschaften erblickt. Die weib- liche Kernsubstanz überträgt die Eigenschaften der Mutter, die männliche Kernsubstanz die Eigenschaften des Vaters auf das neu entsehende Geschöpf. — Vielleicht ist in dieser Theorie eine morphologische Grundlage für die Thatsache gewonnen, dass die Kinder beiden Erzeugern gleichen und von beiden im Allgemeinen gleich viele Eigenschaften erben.
Wenn wir die beiden Tlieorieen annehmen, so fällt jetzt auch dem Kern, welcher bisher zwar als ein constantes, aber räthselhaftes Gebilde von unbekannter Bedeutung hatte beschrieben werden müssen, eine be- stimmte Rolle im Zellenleben zu. Er scheint das eigentliche Befruchtungs- und Vererbungsorgan der Zelle zu sein, indem in ilnn eine dem Stoffwechsel der Zelle mehr entzogene Sub- stanz (Idioplasma Nägeli's) abgelagert wird.
Bei der Besprechung des Befruchtungsprozesses sei noch eine kleine Abschweifung auf das Gebiet pathologischer Erscheinungen ge- stattet.
Wie aus zahlreichen Beobachtungen im Thier- und Pflanzenreich hervorgeht, dringt bei normalem Verlauf der Befruchtung immer nur ein einziger Samenfaden in ein Ei ein, wenn die zusammentreffenden Geschlechtszellen vollkommen gesund sind. Bei geschädigter Beschaffenheit der Eizelle jedoch erfolgt Ueberfruchtung durch zwei und mehr Samen- fäden (Polyspermie).
Man kann Ueberfruchtung künstlich hervorrufen, wenn man die Eizelle auf experimentellem Wege schädigt, sei es dass man sie vor- übergehend einer höheren oder einer niederen Temperatur aussetzt und Kälte- oder Wärmestarre hervorruft, sei es, dass man sie durch che- mische Mittel beeinflusst, sie chloroformirt , oder mit Chloralhydrat, Morphium, Strychnin, Nicotin, Chinium sulph. etc. behandelt, sei es, dass man sie auf mechanischem Wege durch Schütteln z. B. verletzt. Interessant ist es bei allen diesen Mitteln zu sehen, wie der Grad der Ueberfruchtung gewissermaassen zu dem Grad der Schädigung in einer Proportion steht, wie zum Beispiel Samenfäden in Eier, die schwach mit Chloral behandelt sind, sich in geringer Anzahl, dagegen zahlreicher in stärker narkotisirte Eier einl)ohren.
Bei allen überfruchteten Eiern wird der ganze Verlauf der Ent- wicklung ein anomaler. Vielleicht ist, wie Fol als Hypothese aus- gesprochen hat, die Entstehung von Zwei- und Mehrfachbildungen auf das Eindringen von 2 und mehr Samenfäden zurückzuführen. Die Frage verdiente gewiss in hohem Maasse noch genauer experimentell geprüft zu werden..
Geschichte. Die mitgetheilten Thatsachen aus der Befruchtungslehre sind Errungenschaften der jüngsten Zeit. Um von älteren Hypothesen ab- zusehen, so nahm man bis zum Jahre 1875 gewöhnlich an, dass die Samen- fäden in grösserer Anzahl in den Eiinhalt eindringen sollten, man liess sie^^^^^T^ ^^ aber daselbst ihre Beweglichkeit verlieren und sich im Dotter auflösen. -7%A^>'-'~**x.
llfiLlBRARY
36 Zweites Capital.
Mir glückte es beim Studium der Eier von Toxopneustes lividus ein Object zu finden, an welchem sich die inneren Befruchtungserscheinungen im Ganzen leicht und sicher feststellen lassen, und zu zeigen, 1. dass in Folge der Befruchtung wenige Minuten nach Zusatz des Samens in der Rinde des Dotters der Kopf eines Samenfadens von einer Strahlung um- geben auftritt und sich in ein kleines Körperchen umbildet, welches ich Samen- oder Spermakern nannte, 2. dass binnen zehn Minuten Ei- und Spermakerii copuliren, 3. dass normaler "Weise die Befruchtung nur durch einen Samenfaden erfolgt, während in pathologisch veränderte Eier mehrere Samenfäden eindringen können. So konnte ich damals die These aus- sprechen, dass die Befruchtung auf der Verschmelzung zweier geschlecht- lich differenzirter Zellkerne beruht.
Wenige Monate später fand v. Beneden, dass bei den Säugethieren der Furchungskern aus Verschmelzung zweier Kerne entsteht, und sprach hierbei die Vermuthung aus, dass der eine von ihnen, der zuerst peripher gelegen ist, zum Theil von der Substanz der Samenfäden herrühren möge, welche er in grösserer Anzahl mit der Dotierrinde verschmelzen und sich vermischen lässt. Einen Fortschritt führte bald darauf Fol dadurch her bei, dass er au den Eiern der Echinodermen den Moment des Eindringens eines Samenfadens in das Ei auf das Genaueste verfolgte und die Bildung eines Empfängnisshügels (cone d'attraction) entdeckte. Seitdem ist durcl: zahlreiche Arbeiten (Selenka, Fol, Hertwig, Calberla, Küpffer, Nussbaum V. Beneden, Eberth, Flemming, Zachariäs, Bovkri) dargethan worden, das; auch in anderen Objecten und in anderen Stämmen des Thierreiches di« Befruchtungsvorgäiige in wesentlich der gleichen Weise verlaufen. Dii Identität der Befruchtungsvorgänge im Thier- und Pflanzenreich hat end lieh Strasburger in einer Reihe vortrefflicher Untersuchungen bewiesen
Schliesslich ist gleichzeitig von Strasbürgee und mir der Versuch ge macht worden, die Befruchtungserscheinungen für eine Theorie der Ver erbung zu verwerthen, indem wir die männliche und weibliche Kcrnj^ub stanz , wie früher schon vermuthungsweise von Anderen ausgesprochei worden war (Keber, Haeckel, Hasse), als die Träger der Eigenschaften be trachteten, welche von den Eltern auf ihre Nachkommen vererbt werden In ähnlicher Weise haben sich darauf Köllikkr, Roux, Bambeke, Weis MANN etc. geäussert.
Z u s a m m e n fa s s u n g-.
1. Das Keimbläschen rückt allmählich bei der Reifung an dei animalen Pol des Eies empor und geht hierbei eine rückschrei tend( Metamorphose ein (Rückbildung der Kernmembran und des Fadennetzes Vermischung des Kernsaftes mit dem Protoplasma).
2. Aus Resten des Keimbläschens entwickelt sich, hauptsächlicl wohl aus der Substanz des Keimflecks, eine Kernspindel.
3. An der Stelle, wo die Spindel mit ihrem einen Ende an dii Oberfläche des Dotters anstösst, bilden sich durch einen sich zwei Ma wiederholenden Knospungsprocess 2 Polzellen aus.
4. Beim zweiten Knospungsprocess bleibt die Hälfte der Korn Spindel in der Dotterrinde zurück und wandelt sich in den Eikeru um Das Ei ist reif.
Reifeerscheinungen des Eies und der Befruchtungsprocess. 37
5. Bei Eiern, die sich parthenogenetisch entwickeln (Arthropoden) wird nur eine Polzelle gebildet.
6. Bei der Befruchtung dringt in ein gesundes Ei nur ein einziger Samenfaden ein. (Bildung eines Empfänguissbügels, Abhebung der Dotterhaut).
7. Der Kopf des Samenfadens verändert sich zu dem Samenkern, um welchen sich die benachbarten Protoplasmatheilchen in radiärer Richtung anordnen.
8. Ei- und Samenkern wandern aufeinander zu und verschmelzen zu dem Furchungskern.
9. Befruchtungstheorie. Die Befruchtung beruht auf der Copulation zweier geschlechtlich ditlerenzirter Zellkerne.
10. Vererbungstheorie. Die im Samen- und Eikern ent- haltenen männlichen und weiblichen Kernsabstanzen sind die Träger der von den Erzeugern auf ihre Nachkommen vererbbaren Eigenschaften.
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DRITTES CAPITEL. Der Furchungsprocess.
An die Befruchtung schliesst sich meist in unmittelbarer Folge die weitere Entwicklung an, die damit beginnt, dass die Eizelle, der ein- fache Elementarorganismus, durch die sogenannte Furchung sich in eine immer mehr an Zahl zunehmende Menge kleiner Zellen auflöst. Das Studium der Furchung wollen wir mit einem recht einfachen Falle be- ginnen und wählen wir daher auch hier wieder als Grundlage für die Darstellung das Ei eines Echinodermen.
Der durch die Verschmelzung von Ei- und Samenkern entstandene Furchungskern (Fig. 20, fh) ist anfangs rundlich, genau im Centrum der Eikugel gelegen und Mittelpunct einer Strahlung, an welcher die ganze Dottermasse betheiligt ist; bald aber beginnt er sich ein wenig in die Länge zu strecken und dabei immer mehr undeutlich zu werden, so dass man am lebenden Object zur Annahme verleitet werden kann, er habe sich vollständig aufgelöst. Gleichzeitig gehen sehr regelmässige Veränderungen in der Vertheilung und Anordnung des Protoplasma um den Kern vor sich. Die durch die Befruchtung hervorgerufene mono- centrische Strahlung nimmt an Intensität allmählich ab und verliert sich ganz, während sich zwei neue Strahlungen an den beiden Polen des sich streckenden Kerns entwickeln. Erst klein und unbedeutend, dehnen sie sich rasch weiter aus und nehmen schliesslich je eine Hälfte der Eikugel ein (Fig. 21). Dabei stossen die Strahlen der beiden Sy- steme in der Medianebene des Eies unter spitzem Winkel zusammen.
In demselben Maasse als sich die beiden Strahlungen deutlicher ent- wickeln, entsteht als Grundlage und Mittelpunct derselben im Innern des körnigen Dotters eine Figur, welche man passender Weise einer Hantel, wie sie beim Turnen gebraucht wird, vergleichen kann (Fig. 21). Sie entsteht dadurch, dass sich an den Polen des sich streckenden Kerns, die man gewissermaassen als zwei Attractionscentren betrachten kann, homogenes Protoplasma in grösserer Menge ansammelt und die beiden Köpfe der Hantel bildet. Der die letzteren verbindende körnchenfreie Streifen ist der inzwischen undeutlich gewordene Kern, welcher eigen- thümliche Metamorphosen eingegangen ist.
In die Kernmetamorphose gewinnt man genaueren Einblick durch Anwendung geeigneter Reagentien und Farbstoffe. Durch Zwischen-
stadien, die unberücksichtigt bleiben sollen, geht aus dem bläschen- förmigen Kern die für die Zelltheilung im ganzen organischen Reich typische Kernspiudel hervor. Ihre Spitzen nehmen die Mitte der
40
Drittes Capitel.
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Fig. 20.
FiK. 21.
Fig. 20. Ei eines Seeigels gleich nach beendeter Befruchtung, fk Fuichungskern.
Fig. 21. Ei eines Seeigels in Vorbereitung zur Theilung. Beide Figuren sind nach dem lebenden Object gezeichnet.
Der Kern ist im frischen Zustand nicht mehr zu sehen , an seiner Stelle ist eine Hantelfigur entstanden.
beiden Strahleiisysteme ein (Fig. 25 B). Die Spindel sp besteht aus zwei Substanzen , welche meiner Meinung nach beide von dem Ruhezu- stand des Kerns abstammen, nämlich 1) aus einer achromatischen Substanz, welche keine Farljstotfc in sich aufnimmt, und 2) aus dem larl )bai'en N u c 1 e i n oder Chrom a t i n . Die acliroinatische Substanz bildet ausserordentlich feine und daher zuweilen schwer kenntlich zu machende „Spindelfasern", welche, etwa 10 an der Zahl, zu einem Bündel vereinigt sind und, indem sie mit ihren Enden zu je einer Spitze convergiren , die Spindel erzeugen. Das Chromatin dagegen hat die Form von einzelnen kleinen Körnern angen<nnmen, die den Spindelfaseru an Zahl entsprechen und in der Weise angeordnet sind, dass je ein Korn je einer Spindelfaser und zwar ihrer Mitte anliegt. In ihrer Ge- sammtheit stellt sie daher eine in der Mitte der Spindel befindliche und aus einzelnen Körnern zusammengefügte Platte, die Kern platte Strasburger's , dar. Was bei den Seeigeleiern gewöhnlich als chro- matisches Korn erscheint, gibt sich uns bei Anwendung der stärksten Vergrösserungen , namentlich aber beim Studium hierzu geeigneter Ob-
B
C
B
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Fig 22. Schema der Kerntheilung nach Rabl.
In Figur A sielit man die aus zarten achromatischen Fasern gebildete Spindel mit den Protoplasmastrahhmgen an iliren Spitzen und chromatischen Schleifen in ihrer Mitte. An letzteren ist bereits eine Längsspaltung der Fäden eingetreten. In Figur B sind die durch die Spaltung entstandenen Tochterfäden nach entgegengesetzten Riclitungen aus- einander gerüclit. In P'igur C beginnen sie sich in regelmässiger Weise zu zwei Gruppen von Schleifen anzuordnen. In Figur D liegen beide Gruppen von Tochterschleifen nahe den beiden Poleuden der Spindel.
Der Furchungsprocess. 41
jccte, Avic z. B. der Neinatodeneicr , oder lieiiii Studium von Ge^Yel)S- zellen (Fig. 22 Ä) als eiue kleine v-förmige Schleife zu erkennen. In einzelnen Fällen, wie z. B. bei Ascaris megalocepliala, ist die Zahl der Schleifen eine sehr geringe, da sie sich nur auf 4 beläuft. Von den- selben macht VAN Bi^neden die sehr bemerkenswerthe und interessante Angabe, dass zwei von ihnen vom Chromatin des Sperma- kerns und die zwei andern vom Chromatin des Eikerns abstammen.
Die weiteren Metamorphosen des Kerns spielen sich an den Schlei- fen ab. Sie spalten sich, wie Flemming entdeckt und zahlreiche For- scher (Strasbürger, Heuser, Bp^neden, Rabl etc.) seitdem bestätigt haben, ihrer Länge nach in zwei Tochterschleifen (Fig. 22 A). Diese aber weichen alsl)ald nach entgegengesetzten Enden (bei Ascaris je zwei männliche und je 2 weibliche Tochterschleifen) auseinander (Fig. 22 B^ 0, siehe auch die Figurenerklärung) und nähern sich bis auf geringe Entfernung den Polen der Spindel (Fig. 22 D).
Somit hat sich in einer complicirten Weise eine Zerlegung der färb- baren Kernsubstanz in gleiche Hälften vollzogen. Als unmittelbare Folge davon beginnt jetzt auch der protoplasmatische Tlieil der Zelle durch den schon äusserlich wahrnehmbaren Furchungsprocess halbirt zu werden. Entsprechend einer Ebene, welche man zwischen den beiden Tochter- kernplatten mitten durch die Spindel senkrecht zu ihrer Längsaxe hin- durchlegt, bildet sich an der Oberfläche des Eies (Fig. 23 A) eine Ring- furche aus, die rasch tiefer in die Eisubstanz einschneidet und sie in kurzer Zeit in zwei gleiche Stücke zerlegt ; von diesen enthält ein jedes die Hälfte der Spindel mit einer Tochterkernplatte, die Hälfte der Hantel- ligur und eine Protoplasmastrahlung.
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Fig. 23. A Ei eines Seeigels im Moment der Theilung.
Eine Ringfurche schneidet in den Dotter ein und halbirt ihn in einer Ebene, welche rechtwinkelig die Mitte der Kernaxe und die Längsaxe der Hantelfigur schneidet.
JB Ei eines Seeigels nach der Zweitheilung. Heide Figuren sind nach dem lebenden Object gezeichnet.
In jedem Theilproduct ist ein bläschenförmiger Tochterkern entstanden. Die strahlige Anordnung des Protoplasma beginnt undeutlich zu werden.
Die von der gemeinsamen Eihülle umschlossenen Theilstücke legen sich dann mit ihren Theilungsflächen fest aneinander und platten sich hier so ab, dass ein jedes nahezu einer Halbkugel gleicht (Fig. 23 B).
42
Drittes Capitel.
Im Tmieni abi'r ti'itt Kern und Protoplasma in ein kurz vorübergehen- des Rnhestadium ein. Aus der Hälfte der Kernspindel mit den Tocliter- schleifen entwickelt sieh wieder ein hlaschenföi'miger, homogener Tochter- kern. im Protoitlasma aber wird die strahlige Anordnung immer undeut- licher und ist schliesslich ganz geschwunden.
Nach kurzei- Ruhepause schicken .sich die beiden Tochterzelleu zu einer neuen 'i'heilung an, wobei sich ni ihrem Innern, im Kern und Protoplasma, dieselbe Reilie von Veränderungen wiederholt. In ähn- licher Weise zerfalhM» die 4 Zellen in 8, diese in 10, o2, 64 Thcilstückc und so weiter (Fig. 24), bis ein grosser kugliger Haufen entstanden ist,
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Fig. 24 Verschiedene Stadien des Furch ungsprocesses iinch Gkgenbaur.
der den Namen der Morula oder Maulbeerkugel erhalten hat, weil die Zellen als kleine Höcker an seiner Oberfläche vorspringen.
Während des zweiten und dritten Furchungsstadiums lässt sich ein streng gesetz massiges Verhalten in der Richtung, welche die sich bildenden Furchungsel)enen zu einander einhalten, leicht erkennen. Es halbirt nämlich stets die zweite Furchungsebene die erste und schneidet sie rechtwinklig, die dritte Ebene aber geht lothrecht mitten durch die Axe hindurch, in welcher sich die beiden ersten schneiden. Wenn man nun die Enden dieser Axe als Pole des Eies betrachtet, so kann mau die beiden ersten Thei- lungsebenen als meridionale , die dritte als eine äquatoriale bezeichnen.
Die Gesetzmässigkeit wird durch ein W'echselverhältuiss bedingt, in welchem Kern und Protoplasma zu einander stehen, wobei folgende zwei Regeln zu beachten sind: 1) Die Theil un gsebene halbirt stets rechtwinklig die Axe der Spindel. 2) Die Axe der Kern spindel steht wieder in einem A bhäugigkeitsver- hältniss zur Form und Differenzirung des sie umhüllen- den protoplasmatischen Körpers und zwar so, dass die beiden Pole des Kerns sich in der Richtung der grössten Protoplasmamassen einstellen. So kann zum Beispiel in einer Kugel, in welcher das Protoplasma gleichmässig vertheilt ist, die central gelegene Spindel in der Richtung eines jeden Radius zu liegen kom- men, in einem eiförmigen Protoplasmakörper dagegen nur in dem läng- sten Durchmesser. In einer kreisrunden Protoplasmascheibe liegt die Kernaxe parallel zur Oberfläche derselben in einem beliebigen Durch- messer des Kreises, in einer ovalen Scheibe dagegen wieder nur im längsten Durchmesser.
Um nun nach diesen allgemeinen Bemerkungen auf unseren zu er- klärenden Fall zurückzukommen, so bildet jede Tochterzelle, wenn die
erste Theilung abgelaufen ist, eine Halbkugel. Nach
unserer Regel
kann die Tochterspindel sich nicht vertical zur Grundfläche der Halb-
Der Furchungsprocess. 43
kugel stellen , sondern muss parallel zu ihr gerichtet sein , so dass ein Zerfall in 2 Quadranten erfolgen muss. Hierauf muss die Spindelaxe wieder mit der Längsaxe des Quadranten zusammenfallen, wodurch dieser in 2 Oetanten zerlegt wird.
Von dem eben geschilderten Theilungsvorgang gibt es einige wich- tige Modificationen, die zwar die inneren auf den Kern sich beziehenden Vorgänge unberührt lassen, aber die Art und Weise betretten, wie das Ei als Ganzes in Theilstücke zerlegt wird. Man kann diese Modificationen, obwohl sie durch Uebergänge verbunden sind, zweckmässiger Weise in zwei Abtheilungen und jede Abtheilung in 2 Uuterabtheiluugen sondern.
Zu der ersten Abtheilung rechnen wir solche Eier, welche durch den Furchungsprocess vollständig in Theilstücke zerlegt werden. Wir bezeichnen daher die Furchung als eine totale und unter- scheiden, je nachdem die Theilstücke von gleicher oder von ungleicher Grösse werden , als Unterarten eine a e q u a 1 e oder gleichmässige und eine inaequale oder ungleichmässige Furchung.
Der totalen stellen wir die partielle Furchung gegenüber. Sie findet sich bei Eiern, welche mit reichlichem Nahruugsdotter ver- sehen und daher von beträchtlicher Grösse sind und bei welchen gleich- zeitig die schon früher beschriebene Sonderuug in einen aus Bildungs- dotter und in einen aus Nahrungsdotter bestehenden Theil deutlich ein- getreten ist. Hier erfährt nun bloss der Bildungsdotter einen Zerklüf- tungsprocess , während die Hauptmasse des Eies, der Nahrungsdotter, ungetheilt und von den embryonalen Entwicklungsvorgängen im Ganzen unberührt bleibt; daher der Name theil weise oder partielle Furchung. Sie zerfällt wieder in die beiden Unter typen der dis- coidalen und der superficialen Furchung, je nachdem der Bildungsdotter als Scheibe dem Nahrungsdotter aufliegt oder den letz- teren als eine dicke Rindenschicht umhüllt. Remak hat die Eier, die sich total furchen, als holoblastische, dagegen die Eier mit par- tieller Furchung als meroblastische bezeichnet.
Wir können daher folgendes Furchungsschema aufstellen: L Typus. Totale Furchung \
a) aequale „ / holoblastische Eier.
b) inaequale „ * II. Typus. Partielle „ \
a) discoidale „ } meroblastische Eier.
b) superficiale „ ^
1^. Die aequale Furchung.
Bei der allgemeinen Besprechung des Furchungsprocesses sind wir mit den Erscheinungen der aequalen Furchung bereits bekannt gewor- den. Zu dem oben Gesagten ist noch hinzuzufügen , dass dieser Typus häufiger bei den Wirbellosen und unter den Wirbelthieren nur beim Amphioxus und den Säugethieren anzutreffen ist. Bei letzteren treten indessen schon frühzeitig geringe Verschiedenheiten in der Grösse der Theilungskugeln hervor, wodurch mehrere Forscher veranlasst worden sind, auch die Furchung bei Amphioxus und den Säugethieren als in- aequale zu bezeichnen. Wenn ich diesem Vorschlag nicht gefolgt bin, so geschah es aus dem Grunde, weil die Unterschiede nur geringfügiger Art sind, weil der Kern in der Eizelle und ebenso in ihren Theilstücken
44 Drittes Capitel.
noch central liegt und \Yeil die einzelnen Furchiingsarten überhaupt nicht scharf abzugrenzen sondern durch Uebergängc verbunden sind.
Vom Aniphioxus gibt Hatschek an, dass auf dem achtzelligen Sta- dium vier kleinere und vier etwas grössere Zellen zu unterscheiden sind und (hiss von da an auf allen späteren Stadien ein Grössenunterschied zu bemerken ist und der Furchungsprocess in einer ähnlichen Weise abläuft, Nvie später für das Froschei beschrieben werden wird. Das Ei des Kaninchens, über welches die sorgsamen Untersuchungen von v. Bene- den voiliegen, zerfällt gleich von Anfang an in 2 Theilstücke von etwas ungleicher Grösse; auch treten vom dritten Theilungsstadium an Unter- schiede in der Schnelligkeit ein, in welcher bei den einzelnen Segmenten die Theiluugen auf einander folgen. Nachdem die vier Furchungskugeln sich in acht getheilt haben, kommt es zu einem Stadium mit 12 Kugeln; darauf folgt ein anderes mit 16 und später ein weiteres mit 24.
I^, Die inaeqiiale Furclmng.
Zur Grundlage der Beschreibung möge das Ei der Amphibien die- nen. Sowie das Ei vom Frosch oder Triton in das Wasser entleert und befruchtet wird , so richtet sich alsbald unter Aufquelluug der Gallert- hülle die schwarz pigmentirte oder animale Eihälfte nach oben , weil sie mehr Protoplasma und kleinere Dotterkügelchen enthält und spe- cifisch leichter ist. Die Ungieichmässigkeit in der Vertheilung der ver- schiedenen Dotterbestandtheile bedingt auch eine veränderte Lage des Furchungskerns. Während dieser in allen Fällen, in denen das Deuto- plasnia gleichmässig vertheilt ist, eine centrale Lage einnimmt, ver- ändert er überall, wo sich das Ei aus einer dotterreicheren und aus einer protoplasmareicheren Hälfte zusammensetzt, seine Stellung und rückt in das Bereich der protoplasmareicheren Partie. Beim Froschei finden wir ihn daher in der schwarz pigmentirten, nach oben gelegenen Hemisphäre.
Wenn sich hier der Kern zur Theilung anschickt, kann sich seine Achse nicht mehr in jeden beliebigen Radius des Eies einstellen ; in Folge der ungleichmässigen Vertheilung des Protoplasma im Eiraum steht er
A B
»p
Fig. 25. Schema der Theilung des Froscheies.
A Erstes Theilungsstadium. 7>' Drittes Tlicilungsstadiuni. Die 4 Theilstücke des zweiten Thoihiiigsstadiuuis beginnen durch eine Aequatorialfurclie in 8 Stücke zu zerfallen. r Pigmentirte Oherfläclie des Eies am animalen Pul; 2»' protoplasmareicher, d deutoplasma- rcichcrer Tlieil des Eies; i>2^ Kernspindel.
Der Furcliungsprocess.
45
unter dem Einfluss des protoplasmareicbereu pigmentirtcn Theils des Kies, welcher wie eine Calotte dem dotterreichereu Tlieil aufliegt und wegen seiner geringeren specifiscben Schwere obenauf schwimmt und horizontal ausgebreitet ist. In einer horizontalen Protoplasnuiscbeibe aber kommt die Kernspindel horizontal zu liegen (Fig. 25 Ä sp.) ; mithin muss die Tbeilungsebene sich in verticaler Richtung bil- den. Zuerst beginnt sich eine kleine Furche am animalen Pole zu zeigen , weil derselbe mehr unter dem Einfluss der ihm genäherten Kernspindel steht und mehr Pr()toi)lasma enthält, von welcheni die Bewegungserscheinungen bei der Theilung ausgehen. Die Furche ver- tieft sich langsam nach abwärts und schneidet nach dem vegetativen Pole zu durch.
Durch den er/öten Theilungsact erhalten wir zwei Halbkugeln (Fig. 20, 2), von denen eine jede aus einem protoplasmareicheren, nach oben gerichteten und einöm nach abwärts gekehrten protoplasmaärmeren Quadranten zusammengesetzt ist. Dadurch wird erstens die Lage und zweitens die Achse des Kerns, wenn er sich zur zweiten Theilung an- schickt, wieder fest bestimmt. Den Kern haben wir nach der von uns oben aufgestellten Regel im protoplasmai-eicheren Quadranten aufzu- suchen; die Achse der Spindel muss sich hier parallel zur Längsaxe desselben einstellen, muss also horizontal zu liegen kommen. Die zweite Tbeilungsebene ist daher, wie die erste, lothrecht und schneidet diese rechtwinklig.
Nach Ablauf der zweiten Furchung besteht das Amphibienei aus vier Quadranten (Fig. 26, 4), die durch verticale Theilungsebenen von
Fig 26. Furchung von Rana temporaria nach Ecker.
Die über den Figuren stehenden Zahlen geben die Anzahl der in dem betreffenden Stadium vorhandenen Segmente an.
einander getrennt sind und zwei ungleichwerthige Pole besitzen , einen protoplasmareicheren, leichteren, nach oben gerichteten und einen dotter- reicheren , schwereren , nach abwärts gekehrten. Beim aequal sich furchenden Ei sahen wir, dass auf dem dritten Theilungsstadium die Achse der Kernspindel sich parallel zur Längsachse des Quadranten ein- stellt. Das ist auch hier in einer etwas modificirten Weise der Fall. Wegen des grösseren Protoplasmareichthums der oberen Hälfte des Quadranten kann die Spindel nicht wie bei dem aequal sich furchenden Ei iu der Mitte desselben liegen , sondern muss dem animalen Pol des Eies mehr genähert sein (Fig. 25 B sp). Ferner steht sie genau ver- tical, da die 4 Quadranten des Amphibieneies wegen der ungleichen
46 Drittes Capitel.
Schwere ihrer beiden Hälften im Räume fest orientirt sind. In Folge dessen muss jetzt die dritte Theilungsebene eine horizon- tale werden, ferner muss sie oberhalb des Aequators der Eikugel, mehr oder minder nach ihrem animalen Pole zu gelegen sein (Fig. 26, 8). Die Theilproducte sind von ungleicher Grösse und Beschaffenheit und sind der Grund, warum man diese Form der Furchung als die inaequale bezeichnet hat. Die 4 nach oben gelegenen Segmeute sind kleiner und dotterärmer, die 4 unteren viel grösser und dotterreicher. Wie die Pole, denen sie zugekehrt sind, werden sie auch als animale und vegetative Zellen von einander unterschieden.
Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird der Unterschied zwischen den animalen und vegetativen Zellen ein immer grösserer, da die Zellen, je protoplasmareicher sie sind, um so rascher und häufiger sich theilen. Auf dem vierten Stadium werden zuerst die* 4 oberen Segmente durch verticale Furchen in 8 zerlegt, erst nach einiger Zeit zerfallen in der- selben Weise auch die 4 unteren, so dass jetzt das Ei aus acht kleineren und acht grösseren Zellen zusammengesetzt ist (Fig. 26, 16). Nach einer kurzen Ruhepause theilen sich abermals zuerst die acht oberen Segmente und zwar jetzt durch eine aequatoriale Furche, und etwas später zerlegt eine ähnliche Furche auch die acht unteren Segmente (Fig. 26, 32). In gleicher Weise zerfallen die 32 Segmeute in 64 (Fig. 26, 64). Auf den nun folgenden Stadien werden die Theilungen in der animalen Hälfte der Eikugel noch mehr als in der vegetativen beschleunigt. Während die 32 animalen Zellen durch zwei rasch auf einander folgende Theilungen schon in 128 Stücke zerlegt sind, findet man in der unteren Hälfte noch 32 Zellen, die in Vorbereitung zur Furchung begritfeu sind. So kommt es, dass als Endresultat des Fur- chungsprocesses ein kugeliger Zelleuhaufen mit ganz uugleichwerthigen Hälften entsteht, einer nach oben gelegenen animalen Hälfte mit kleinen, pigmentirten Zellen und einer vegetativen Hälfte mit grösseren, dotter- reichen, hellen Zellen.
Aus dem Verlauf der inaequalen Furchung sowie einer Reihe anderer Erscheinungen lässt sich ein zuerst von Balfour formulirtes allgemeines Gesetz aufstellen, dass die Schnelligkeit der Furchung pro- portional ist der Concentration des im Theilungs stück befindlichen Protoplasma. Protoplasmareiche Zellen theilen sich rascher als protoplasmaärmere aber deutoplasmareichere.
IIa. Die partielle, discoidalc Furchuii
Für die Darstellung der discoidalen Furch ung dient uns das Hühnerei als classisches Beispiel. An demselben vollzieht sich der gesammte Fur- chungsprocess noch innerhalb der Eileiter in dem Zeitraum, in welchem der Dotter mit der Eiweisshülle und einer Kalkschale umgeben wird; er führt einzig und allein zu einer Zerklüftung der aus Bildungsdotter bestehenden Keimscheibe, während der grösste Theil des Eies, welcher den Nahrungsdotter enthält, ungetheilt bleibt, später in ein Anhängsel des Embryo, den sogenannten Dottersack, eingeschlossen und allmählich als Nahrungsmaterial aufgebraucht wird. Wie beim Froschei die pig- mentirte animale Hälfte, so schwimmt auch beim Hühnerei, man mag dasselbe wenden wie man will, die Keimscheibe oben auf, da sie der
Der Furchungsprocess.
47
leichtere Theil ist. Wie beim Froscliei die erste Theiluugsebeue eine verticale ist und am animalen Pole beginnt, so tritt auch beim Hühnerei (Fig. 27 A) in der Mitte der Scheibe eine .kleine Furche (b) auf und
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Fig. 27. Oberflächenansichten der ersten Furchungsstadien des Hühnereies nach
COSTE.
a Rand der Keimscheibe, l> verticale Furche, c kleines centrales, d grosses peripheres Segment.
dringt von oben her in verticaler Richtung in die Tiefe. Während aber beim Froschei die erste Theilungsebene bis zum entgegengesetzten Pol durchschneidet, theilt sie beim Hühnerei nur die Keimscheibe in zwei gleiche Segmente, welche wie zwei Knospen der uugetheilten Dotter- masse mit breiter Basis aufsitzen und vermittelst derselben noch unter- einander in Substanzverbindung stehen. Bald darauf bildet sich eine zweite verticale Furche, welche die erste unter rechtem Winkel kreuzt und gleichfalls auf die Keimscheibe beschränkt bleibt, die nun in vier Segmente zerlegt ist (Fig. 27 B).
Jedes der vier Segmente wird wiederum von einer radialen Furche halbirt. Die so entstandenen Theilstücke entsprechen Kreisausschnitten, die im Centrum der Keimscheibe mit spitzen Fanden zusammenstossen und mit ihren breiten Enden nach der Peripherie gewandt sind. Von
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Fig. 28. Quersclinitt durch die Keimscheibe des Hühnereies während der späteren Furchungsstadien nach Balfouk.
Der Schnitt, welcher etwas mehr als die halbe Breite der Keimhaut wiedergibt (die Mittellinie ist bei c) , zeigt , dass die Segmente der Oberfläche und des Centrums der Scheibe kleiner sind als die unteren und peripheren. Am Rand sind sie noch sehr gross. Eins derselben ist mit a bezeichnet.
a grosse periphere Zellen , h grössere Zellen der unteren Lagen ; <• Mittellinie der Keimhaut, n Grenze der Keimhaut gegen den weissen Dotter w.
48 Drittes Capitel.
jedem der Segmente wird dann die Spitze durch eine quere oder dem Aequator der P'.ikugel parallel gerichtete Furche abgetrennt (Fig. 27 C), wodurch central gelegene kleinere (c) und griissere periphere Theil- stücke (d) entstehen. Indem von nun an radiale und dem Aequator parallele Furchen alternirend auftreten, zerfällt die Keimscheibe in immer zahlreichere Stücke, welche so angeordnet sind, dass die kleineren im Centrum der Scheibe, also unmittelbar am aninialen Pole, die grösseren nach der Peripherie zu liegen. Bei der fortschreitenden Zerklüftung schnüren sich die kleineren Theilstücke nach abwärts vollständig ab, während die peripheren grösseren anfangs noch mit dem Dotter zusam- menhängen (Fig. 28). Auf diese Weise erhalten wir schliesslich eine Scheibe kleiner Embr^^onalzelleu , die nach ihrer Mitte zu in mehreren Lagen über einander angeordnet sind.
Die unter der Zellenscheibe unmittelbar befindliche Dotterschicht, die besonders feinkörnig und protoplasmareich ist, verdient jetzt nocli unsere ganz besondere Beachtung. Denn in ihr liegen isolirte Kerne, die nach dem Rande zu zahlreicher anzutreten sind, die viel be- sprochenen Dotter- oder P a r a b 1 a s t k e r n e , (die „ M e r o - cy ten" von PtüCKEirr) (Fig. 29 wx^). Beim Hühnchen sind sie weniger
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Fig. 29. Querschnitt durch die Keimscheibe eines Pristiurus-Embryo während der Turchung, nach Balfour.
n Kerne, nx umgestaltete Kerne vor der Theilung, 7ix' umgestaltete Kerne im Dotter, f Furchen, welche in dem an die Keimscheibe anstossenden Dotter auftreten.
auffällig als bei Knochenfischen und Elasmobranchiern, bei welchen sie durch Balfour, Hoffmann, RtiCKEUT und Andere genau untersucht worden sind. Früher Hess man dieselben durch freie Kernbildung im Dotter entstehen, eine Annahme, die an sich sehr unwahrscheinlich ist, da nach unserer jetzigen Kenntniss überhaupt freie Kernbildung im Thier- und Pflanzenreich nicht vorzukommen scheint. Mit Recht leitet m an daher jetzt die D o 1 1 e r k e r n e v o m F u r c h u n g s k e r u e ab. Wahrscheinlich bilden sie sich schon frühzeitig aus, wenn die zu- erst entstandenen Segmente, welche wir mit dem Dotter noch eine Zeit lang in Verbindung stehen sahen , von diesem sich abzuschnüren be- ginnen. Es wird dies in der Weise geschehen, dass in den Segmenten Kernspindeln entstehen, die bei der Abschnürung zur Hälfte in die allseitig isolirten Embryonalzellen, zur anderen Hälfte in die unter ihnen befindliche Dotterschicht geratheu und hier zu bläschenartigen Dotter- kernen werden.
Der Furchungspi'ocess. 49
Im Uebrigen wird ihre Entstehung nicht bloss auf die frühesten Stadien der Furchung beschränkt sein, sondern sich auch noch später in dem Randbezirk der Keimscheibe wiederholen. Hier finden sich ja noch lange Zeit Segmente vor, die nach abwärts mit dem Dotter zu- sammenhängen. Jede Abschnürung derselben wird mit einer Kernthei- lung eiuhergehen , bei welcher eine Spiudelhälfte in die Dotterschicht geräth und zu einem Dotterkern wird. Von dieser Bildungsweise abge- sehen, vermehrt sich ihre Anzahl noch durch directe Theilung, was dadurch festgestellt ist, dass man an Durchschnitten Kernspindeln eben- falls in der Dotterschicht beobachtet hat (Fig. 2ü nx').
Wie auf der einen Seite eine Vermehrung, findet auf der anderen Seite auch wieder eine Verminderung in der Anzahl der Dotterkerne statt, wie von vielen Seiten behauptet wird (Waldeyer, Rügkert, Balfoür etc.). Es geschieht dies dadurch, dass sich Kerne mit Protoplasma vom Dotter abschnüren und zur Ver- grösserung der Zellenscheibe beitragen. Mit Waldeyer können wir sie secundäre Furchungszellen und den ganzen Process als eine Art von Nach furchung bezeichnen. Durch die Nachfurchung, die sich noch auf späteren Stadien der Entwicklung forterhält, wächst die Keimscheibe auf Kosten des unter ihr gelegenen Dottermaterials. Alles in Allem stellt somit die Schicht, in welcher die Dot- terkerne liegen, zwischen dem gefurchten Kei m und dem ungefurchten Nahrungsdotter ein wichtiges Bindeglied dar, auf welches ich später noch einmal ausführlicher zurückkommen werde.
Wenn wir zwischen der eben beschriebenen partiellen und der in- aequaleu Furchung, wie sie beim Froschei vorliegt, einen Vergleich an- stellen, so ist es nicht schwer, die erstere von der letzteren abzuleiten und eine Ursache für ihre Entstehung aufzufinden. Die Ursache ist dieselbe, welche auch die Entstehung der inaequalen aus der aequalen Furchung veranlasst hat, es ist die stärkere Ansammlung von Nahrungs- dotter, die hiermit Hand in Hand gehende Ungleichmässigkeit in der Vertheilung der Eisubstanzen und die Veränderung in der Lage des Furchungskerns. Der beim Froschei gleichsam noch in einem Ueber- gangsstadium befindliche Dilferenzirungsprocess ist beim Hühnerei zu Ende geführt. Die dort schon am animalen Pole reichlicher angesam- melte protoplasmatische Substanz hat sich hier in noch höherem Grade concentrirt und hat sich damit zugleich als eine scheibenförmige, den Furchungskern einschliessende Bildung vom Nahrungsdotter abgesetzt. Dieser, in ungeheurer Menge am entgegengesetzten Pole angehäuft, ist in Folge der Sonderung relativ arm an protoplasmatischer Sub- stanz, welche die Lücken zwischen den grossen Dotterkugeln nur spär- lich ausfüllt.
Da nun beim Theilungsprocess die Bewegungserscheinungen vom Protoplasma und Kern ausgehen, das Deutoplasma sich aber passiv ver- hält, so kann bei den meroblastischen Eiern die active Substanz die passive nicht mehr bewältigen und mit in Stücke zerlegen. Schon beim Froschei macht sich ein Uebergewicht des animalen Pols beim P'urchungsprocess bemerkbar ; in seinem Bereich liegt der Kern, treten die Protoplasmastrahlen auf, fängt die erste und zweite Theilungsebene sich zu bilden an, während sie am vegetativen Pole zuletzt durchschneidet; ferner laufen hier während der späteren Stadien die Theilungsprocesse rascher ab, so dass ein Gegensatz zwischen
0. Hertwig. Entwicklungsgeschichte 2. Aufl. 4
50 Drittes Capitel.
kleineren animalen und grösseren vegetativen Zellen entstellt. Beim Hühnerei ist schliesslich das Uebergewicht des animalen Poles auf das schärfste durchgeführt. Die Theiluugsfurchen beginnen nicht nur hier, sondern bleiben auch auf den an ihn angrenzenden Bezirk beschränkt. Auf der einen Seite erhalten wir so eine Scheibe aus kleinen animalen Zellen, auf der anderen Seite eine mächtige ungetheilte Dottermasse, welche den grösseren vegetativen Zellen des Froscheies entspricht. Die- selbe schliesst auch in der auf die Keimscheibe folgenden Zone eine A n zahl Dotterkern e ein, welche den Kernen der vege- tativen Zellen des Froscheies gleich werth ig sind.
In derselben Weise wie bei den Vögeln gestaltet sich der Furchungs- process bei den Knochenfischen, den Elasmobranchiern und den Reptilien, während die Eier der Ganoiden zwischen der partiellen und der in- aequalen Furchung einen interessanten Uebergang vermitteln.
II ^ Die partielle superficiale Furchiing.
Die zweite Unterart der partiellen Furchung ist im Stamm der Arthropoden sehr häufig und tritt bei den centrolecithalen Eiern auf, bei denen eine central gelegene Dottermasse von einer Rindenschicht von Bildungsdotter eingeschlossen ist. Mannigfache Variationen sind hier möglich, sowie sich auch Uebergänge zur aequalen und inaequalen Furchung finden. Wenn der Verlauf ein recht typischer ist, so liegt der Furchungskern, von einer Protoplasmahülle umgeben, in der Mitte des Eies im Nahruugsdotter; hier theilt er sich in 2 Tochterkerne, ohne dass eine Theilung der Eizelle auf dem Fuss folgt. Die Tochterkerne theilen sich wieder in 4, diese in 8, 16, 32 Kerne und so weiter, während das Ei als Ganzes immer noch ungetheilt bleibt. Später rücken die Kerne weit auseinander, steigen allmählich an die Ober- fläche empor und dringen in die protoplasmatische Rindenschicht ein, wo sie sich in gleichmässigen Abständen von einander anordnen. Jetzt erst erfolgt auch am Ei der Furchungsprocess, indem die Rinden - Schicht in so viele Zellen zerfällt, als Kerne in ihr liegen, während der centrale Dotter ungetheilt bleibt. Letzterer ist daher plötzlich von einer aus kleinen Zellen gebildeten Blase oder einer Keim haut eingeschlossen. Anstatt eines pol- ständigen (telolecithalen) haben wir hier einen mittelständigen (centro- lecithalen) Dotter.
Nachdem wir mit den verschiedenen Arten des Furchungsprocesses bekannt geworden sind, wird es zweckmässig sein, noch einen Augen- blick bei dem Resultat desselben zu verweilen. Je nachdem der Fur- chungsprocess in der einen oder der anderen der 4 beschriebenen Weisen verläuft, entsteht als Resultat desselben ein Zellenhaufen mit ent- sprechenden characteristischen Merkmalen. Aus der aequalen Furchung entsteht ein kugeliger Keim mit annähernd gleich grossen Zellen, (Am- phioxus, Säugethiere) (Fig. 24, Seite 42), aus der inaequalen sowie aus der discoidalen Furchung geht eine Keimform mit polarer Differen- zierung hervor. Dieselbe gibt sich in ersterem Fall (Cyclostomen, Am- phibien) darin kund, dass am animalen Pole kleine Zellen, am ent- gegengesetzten vegetativen grosse dolterreiche Elemente vorgefunden
Der Furcliungsprocess.
51
werden (Fig. 26, 32, 64, Seite 45). Im anderen Falle (Fig. 29, Seite 48) ist der vegetative Pol durch eine ungetlieilte Dottermasse einge- nommen, in deren oberflächlichster Schicht Kerne liegen (Fische, Rep- tilien und Vögel). Aus der superficialen Furchung endlich entwickelt sich ein Keim mit einem Zellenmantel, der eine ungetheilte Dottermasse umschliesst (Arthropoden).
Der vielzellige Keim geht bald auf früheren, bald erst auf späteren Stadien des Furchungsprocesses weitere Veränderungen dadurch ein, dass sich in seiner Mitte durch Auseinanderweichen der Embryonal- zelleu eine kleine, mit Flüssigkeit erfüllte Furchungshöhle ent- wickelt. Anfangs eng, weitet sich dieselbe mehr und mehr aus, wo- durch die Oberfläche der ganzen Keimform vergrössert wird und ur- sprünglich central gelegene Zellen an die Oberfläche rücken.
Man hat die solide und die ausgehöhlte Form des Zellenhaufens mit verschiedenen Namen belegt. Von einer Morula oder Maul- beerkugel spricht mau, solange die Furchungshöhle noch nicht oder nur wenig ausgebildet ist. Wenn sich dagegen, wie es am Ende des Furchungsprocesses fast stets der Fall ist, ein grösserer Hohlraum entwickelt hat, nennt man den Keim Blastula oder Keim blase. Die letztere zeigt auch wieder je nach dem Dotterreichthum des ur- spiünglichen Eies und nach der Art des vorausgegangenen Furchungs- processes eine vierfach verschiedene Gestaltung.
Im einfachsten Fall (Fig. 30) ist die Wand der Blase nur eine Zellenlage stark; die Zellen sind gleich gross und cylindrisch und schliessen dicht zu einem Epithel an einander (viele niedere Thiere, Amphioxus). Bei niederen, wasserbewohnenden Thieren verlassen auf diesem Stadium die Keimblasen die Eihüllen und schwimmen, indem die Cylinderzellen Flimmern auf ihrer Oberfläche entwickeln, in rotiren- der Bewegung als Flimmerkugeln oder Blastosphären im Wasser herum.
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Fig. 30. Fig. 31.
Fig. 30. Keimblase des Amphioxus nach Hatscheck. Fig. 31. Keimblase von Triton taeniatus. //( Furchungshöhle, dz dotterreichere Zellen, az animale Zellen, rz Randzone.
Bei inaequal sich furchenden Eiern wird gewöhnlich die Keimblase von mehreren Zellschichten gebildet, wie beim Frosch und Triton, und zeigt dabei an einzelneu Stellen eine verschiedene Dicke (Fig. 31). Am
4*
52 Drittes Capitel.
auimalen Pole ist die Wandung dünn, am vegetativen dagegen so stark verdickt, dass von hier ein Höcker, der aus grossen Dotterzellen zu- sammengesetzt ist, in die Furchungshöhle Aveit vorspringt und dieselbe nicht unerheblich einengt.
Am meisten modificirt und daher kaum noch zu erkennen ist die Keimblase der Eier mit partieller discoidaler Furchung (Fig. 32). In Folge des ventralwärts massenhaft angesammelten Dotters ist die Fur- chungshöhle {B) ausserordentlich eingeengt und nur noch als ein schmaler, mit eiweisshaltiger Flüssigkeit erfüllter Spalt erhalten. Dorsal-
wärts besteht ihre Wand dk kz dk aus den kleinen, durch
i ^,,^^:,^r;7-:z7?7:\:r::.7:::zz:^.M^^i7;y^\^ den FurchungSprOCeSS
^^^^' ■ ■ i^ S-fc'j--- 1'^,^ entstandenen Embryonal-
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Fig. 32. Medianschnitt durch eine Keimscheibe Dottemiasse, in welcher
von Pristiurus im Blastulastadium nach Kückekt. gj^»!^ überall zerstrcUt die
B Hohle der Keimblase , kz gefurchter Keim, ab ^ ,
feinkörniger Dotter mit den Dotterkernen. ^Om 1^ UrCUUngSprOCCSS
gleichfalls ableitbaren Dotterkerne oder Mero- cyten (dh) vorfinden. Besonders zahlreich sind sie an der Uebergangs- stelle der Zellenscheibe in die Dottermasse nachzuweisen.
Die kernhaltige Dottermasse entspricht ganz offenbar den grossen vegetativen Zellen, die am Amphibienei den Boden der Furchungshöhle bilden (Fig. 31).
Bei der superficialen Furchung kommt es streng genommen nicht zur Entwicklung einer Keimblase, da die Stelle, wo sich die Furchungs- höhle entwickeln sollte, von dem Nahrungsdotter ausgefüllt wird. Der letztere bleibt entweder ungetheilt oder zerfällt noch nachträglich wie bei den Insecten in einzelne Dotterzellen.
Geschichte des Furchungsprocesses.
Die Erforschung und das richtige Verständniss des Furchungsprocesses hat mannigfache Schwierigkeiten zu überwinden gehabt. Eine umfang- reiche Literatur hat sich über diesen Gegenstand gebildet. Wir beschränken uns darauf, auf die wichtigsten Entdeckungen und auf die Hauptfragen, welche zur Discussion kamen, hinzuweisen.
Die ersten Beobachtungen des Furchungsprocesses wurden am Froschei gemacht. Von kurzen Angaben Swammerdam's und Eösel v. Rosenhof's ab- gesehen, haben Peevost und Dumas im Jahre 1824 beschrieben, wie am Ei des Frosches in gcsetzmässiger Weise Furchen entstehen und wie durch sie die ganze Oberfläche in immer kleiner werdende quadratische Felder zerlegt wird. Die französischen Forscher Hessen die Furchen nur auf die Oberfläche des Eies beschränkt sein. Doch schon wenige Jahre später er- kannten KuscoNi (1826) und C. E. v. Bäer, dass den an der Oberfläche sichtbaren Spuren Spalten entsprechen, welche durch die ganze Dotter-
Der Furchungsprocess. 53
raasse hindurcligelien und sie in einzelne Stücke zerlegen. Bakr bezeich- nete schon richtig den ganzen Furchungsprocess, in welchem er die erste Kegung des Lebens erblickte, als Selbsttheilung der Eizelle, verliess aber diesen richtigen Pfad wieder, indem er die Bedeutung der Theilungen darin suchte, dass ,,alle Dottermassen dem Einflüsse der flüssigen und flüchtigen Bestandtheile^'des befruchtenden Stoffes ausgesetzt werden".
In den nächsten Decennien folgten zahlreiche Entdeckungen des Furchungsprocesses an anderen Objecten. Auch lernte man jetzt die par- tielle Furchung kennen. Nachdem Rüsconi und Vogt sie schon an Fisch- eiern gesehen, gab Köllikee die erste genaue Beschreibung derselben vom Ei der Cephalopoden im Jahre 1844, vier Jahre später CosTe vom Hühnerei.
Die Frage nach der Bedeutung des Furchungsprocesses hat die For- scher lebhaft beschäftigt und zu vielen Controversen Veranlassung ge- geben. In eine bestimmte Richtung wurde die Discussion erst mit Be- gründung der Zellentheorie gelenkt. Es galt sich darüber klar zu werden, ob und in welcher Weise die Furchung ein Zellenbildungsprocess ist. Schwann selbst hat zu dieser Frage, obwohl schon mehrere Beobachtungen über Eitheilung vorlagen, keine feste Stellung genommen. Die Ansichten anderer Forscher gingen Jahrzehnte lang auseinander. Man war uneins darüber, ob das Ei oder das Keimbläschen eine Zelle sei , ob die bei der Furchung entstehenden Theilstücke eine Membran besässen oder nicht und ob man in ihnen Zellen erblicken dürfe oder nicht. In der älteren Lite- ratur finden wir das Keimbläschen und die Kerne der Furchungskugeln viel- fach als Erabryonalzellen und die umgebende Dottermasse als Umhüllungs- kugel bezeichnet. Sehr erschwert wurde das Verständniss des Furchungs- processes auch durch die von Schwann begründete falsche Lehre von der freien Zellbildung aus einem organischen Grundstoff, dem Cytoblastem. Es blieb längere Zeit eine Streitfrage, ob die Gewebszellen des fertigen Orga- nismus direkte Abkömmlinge der Furchungskugeln oder später durch freie Zellbildung aus Cytoblastem entstanden seien. Nachdem auf botanischem Gebiete Naegeli den richtigen Weg eingeschlagen hatte, ist es vor allen Dingen das Verdienst von Köllikee, Reichert, Remak und Leydig ge- wesen, das Verständniss der Furchung angebahnt und gezeigt zu haben, dass eine freie Zellenbildung nicht stattfindet, sondern alle Elementartheile in ununterbrochener Folge aus der Eizelle durch Theilung hervorgehen.
Was die verschiedenen Arten der Furchung betrifft, so bezeichnete Köllikee dieselben als totale und partielle. Einen erschöpfenderen Ueber- blick über dieselben hat v. Beneden in seiner berühmten Untersuchung über die Zusammensetzung und Bedevitung des Eies gegeben und hierbei auch in lichtvoller Weise die Bedeutung des Deutoplasma für die ver- schiedenen Arten der Furchung auseinandergesetzt. Die von v. Beneden unterschiedenen Categorien der Furchung hat darauf Hakckel wesentlich vereinfacht und hat in der Anthropogenie und in seiner Schrift „die Ga- strula und die Eifurchung" das Furchungsschema aufgestellt, das auch unserer Darstellung zu Grunde gelegt ist und nach welchem die totale Furchung in eine aequale und inaequale und die partielle in eine discoi- dale und superficiale zerfällt. Zugleich hat Haeckel auch die verschiedenen Furchungsarten von einander abzuleiten gesucht, wobei er auf die wichtige Rolle des Nahruugsdotters in entsprechender Weise die Aufmerksamkeit lenkte.
Noch mehr als die äusseren Furchungserscheinungen haben sich die Vorgänge, die sich im Innern des Dotters abspielen, der Beobachtung und einer richtigen Beurtheilung entzogen, so dass wir erst in jüngster Zeit einen befriedigenden Einblick in dieselben gewonnen haben. Zwar hat die
54 Drittes Capitel.
Frage, welche Eolle der Kern bei der Furcliung spielt, die Forscher un- ausgesetzt beschäftigt, doch ohne eine Lösung zu finden. Jahrzehnte lang standen sich in der Literatur zwei Ansichten gegenüber, von denen bald die eine, bald die andere zeitweilig zu einer grösseren Allgemeingeltung gelangt ist. Nach der einen Ansicht, welche von den Botanikern fast all- gemein angenommen war und auf thierischem Gebiet hauptsächlich durch Reichert und zuletzt noch durch Auerbach verfochten wurde, soll der Kern vor jeder Theilung verschwinden und sich auflösen, um sich darauf in jedem Tochtersegment wieder von Neuem zu bilden ; nach der anderen Ansicht dagegen soll der Kern sich nicht auflösen, vielmehr sich ein- schnüren, bisquitförmig werden, in zwei Hälften zerfallen und hierdurch die Zelltheilung veranlassen. So lehrten namentlich Zoologen und Ana- tomen, wie C. E. V. Baee, Joh. Müllee, Köllikee, Leydig, Gegenbaur, Haeckel, V. Beneden etc. gestützt auf Erfahrungen, die sie an durchsich- tigen Eiern niederer Thiere gemacht hatten.
Licht fiel in die strittige Frage erst von dem Augenblick an, als ge- eignete Objecto unter Zuhülfenahme stärkerer Vergrösserungen und vor allen Dingen unter Anwendung der modernen Präparationsmethoden (Reagentien und Tinctionen) untersucht wurden.
Einen bemerkenswerthen Fortschritt bezeichnen die Arbeiten von Fol, Flemming, Schneider und Auerbach über die Theilung von Eiern verschie- dener Thiere. Zwar lassen sie noch den Kern sich bei der Furchung auf- lösen, aber sie geben eine genaue und zutreffende Beschreibung der so aufi'älligen Strahlungen, die beim Unsichtbarwerden des Kerns im Dotter entstehen, und in deren Bereich alsbald während der Einschnürung die Tochterkerne sichtbar werden^). Schneider beobachtete Theile des Spindel- stadiums.
Bald darauf wurde ein genauer Einblick in die complicirten und eigen- thümlichen Kernveränderungen durch drei Untersuchungen gewonnen , die unabhängig und gleichzeitig entstanden, an verschiedenen Objecten vorge- nommen waren und kurze Zeit nacheinander von Bütschli, Strasburgee und mir veröffentlicht wurden. Durch sie wurde endgültig festgestellt, dass keine Kernauflösung, sondern eine Kernmetamorphose, wie sie oben be- schrieben worden ist, bei der Theilung stattfindet. Indem ich gleichzeitig bewies, dass auch der Eikern keine Neubildung ist, sondern von Theilen des Keimbläschens abstammt , ergab sich der wichtige Lehrsatz, dass, wie alle Zellen, so auch alle Kerne des thierischen Organismus von der Eizelle und ihrem Kern in ununter- brochener Folge abzuleiten sind. (Oranis cellula e cellula, omnis nucleus e nucleo). Durch diese Arbeiten wurde zum ersten Male ein Kern- und Zelltheilungsschema gegeben, das sich seitdem im Wesentlichen als richtig herausgestellt hat. Nur in einzelneu Punkten hat es Verbes- serungen und Ergänzungen durch Fol, Flemming und van Beneden erfahren.
Fol veröffentlichte eine ausgedehnte monographische Untersuchung des Furchungsprocesses , den er bei vielen wirbellosen Thieren beobachtet hatte. Flemming , der von der Kerntheilung in Gewebszellen ausging, unterschied mit grösserer Schärfe an der Kernfigur den achromatischen und den chromatischen Theil , die sich nicht färbenden Spindelfasern und die ihnen oberflächlich aufliegenden gefärbten Kernfäden und Kern-
1) Strahlenbildungen waren schon früh<!r im Dotter, aber in einer unvollkommenen Weise von verschiedenen Seiten beobachtet worden (von Guube bei Hirudineen , Derües und Meissner beim Seeigel, Gegenhauk bei Sagitta, Kkohn, Kowalevsky und Kupffeu bei Ascidien, Leuckart bei Nematoden, Balbiani bei Spinnen, Oellacher bei der Forelle.
Der Furchungsprocess. 55
schleifen. An letzteren machte er die interessante Entdeckung, dass sie sich bei der Theilung der Länge nach spalten. Eabl fand, dass die Hälften der gespaltenen Fäden nach den Kernpolen auseinanderrücken und die Grundlage der Tochterkerne abgeben, v. Beneden bestätigte diesen Process der Spaltung der Fäden am Ei von Ascaris megalocephala und machte ausserdem noch die wichtige Wahrnehmung, dass von den 4 chromatischen Schleifen, die constant am Furchungskern zu zählen sind, zwei von der chromatischen Substanz des Spermakerns, die zwei anderen von der chro- matischen Substanz des Eikerns abstammen und dass bei der Theilung in Folge der Längsspaltung jeder Tochterkern zwei männliche und zwei weib- liche Kernschleifen empfängt. Ausserdem sind über den Furchungsprocess noch mehrere neuere verdienstliche Arbeiten von Nussbaüm, Rabl, Carnoy etc. erschienen.
In den letzten Jahren suchte Pelügek durch interessante Experimente darzuthun, dass die Schwerkraft einen richtenden Einfluss auf die Stellung der Theilungsebenen ausübt. Böen, Roux und ich dagegen glaubten die Theilungen aus der Organisation der Eizelle selbst erklären zu können. In meiner Schrift: „Welchen Einfluss übt die Schwerkraft auf die Theilung der Zellen ?" erblickte ich die Ursachen, welche die verschiedene Richtung der Theilungsebenen veranlassen, 1) in der Vertheilung des leichteren Ei- plasma und des schwereren Deutoplasma, und 2) in dem Einfluss, welchen die räumliche Anordnung des Eiplasma auf die Stellung der Kernspindel und die Stellung der Kernspindel auf die Richtung der Theilungsebene ausübt.
Zusammenfassung.
1. Beim Furchungsprocess sind die inneren und die äusse- ren Furchungserscheinungen zu unterscheiden.
2. Die inneren Furchungserscheinungen äussern sich in Verän- derungen
a) des Kerns,
b) des Protoplasma.
3. Der in Theilung begriffene Kern besteht aus einer achromati- schen und einer chromatischen Kernfigur. Die achromatische Figur ist eine aus mehreren Fasern zusammengesetzte Spindel. Die chromatische Figur wird aus V-förmig gebogenen Nucleinfäden gebildet, welche der Mitte der Spindel von aussen aufliegen.
4. Die Theilung des Kerns vollzieht sich in der Weise, dass die Nucleinfäden sich der Länge nach spalten und dass ihre Theilproducte in entgegengesetzter Richtung nach den Spindelenden auseinander weichen und hier wieder in die Bildung eines bläschenförmigen Tochterkerns übergehen.
5. Um die Spindelenden ordnet sich das Protoplasma in Fäden zu einer Strahlenfigur (einem Aster) an, so dass eine Doppelstrahlung oder ein Amphiaster in dem Ei entsteht.
6. Die äusseren Furchungserscheinungen bestehen in der Zerlegung des Eiinhalts in einzelne der Anzahl der Tochterkerne entsprechende Stücke. Sie zeigen verschiedene Modificationen, die von der Anordnung und Vertheilung des Eiplasma und des Deutoplasma abhängig sind, wie sich aus folgendem Furchungsschema ergiebt.
56 Drittes Capitel.
Schema der veiscliiedeiien Arten des Fiiichung-spiucebses.
I. Totale Furcliuiig.
Die meist kleineu Eier eutbalteii eiuc geriuge oder massige Menge von Deutoplasma uud zerfalleu vollstäudig iu Tochterzelleu.
1) Aequale Furchung. Sie findet sich bei Eiern mit geringem uud gleiclimässig vertlieiltem Deutoplasma (alecitlial). Durch den Furchuugsprocess entstehen im ganzen gleich grosse Theilstücke (Amphioxus, Säugethiere).
2. Inaequale Furchung. Sie tritt bei Eiern ein, bei denen reichlicher entwickeltes Deuto- plasma ungleichmässig vertheilt und nach dem vegetativen Eipole zu concentrirt, der Furchungskern aber exceutrisch dem animalen jjroto- plasmareichereu Pole genähert ist. Meist erst vom dritten Theilungs- act an werden die Segmeute von ungleicher Grösse, (Cyclostomeu, Am- phibien.)
II. Partielle Furcliuiig.
Die oft sehr grossen Eier enthalten gewöhnlich beträchtliche Mengen von Deutoplasma. In Folge der ungleichen Vertheiiuug desselbeu sondert sich der Eiinhalt in einen Bildungsdotter, au dem sich der Furchuugs- process allein vollzieht, und in einen Nahruugsdotter, der uugetheilt bleibt und während der Embryoualentwicklung zum Wachsthum der Orgaue aufgebraucht wird.
1) Discoidale Furchung. Sie tritt bei Eiern mit polständigem Nahrungsdotter ein. Der Furchuugsprocess bleibt auf den am animalen Pole angesammelten, mit Deutoplasma spärlicher versehenen Bilduugsdotter beschränkt, der die Form einer Scheibe hat. Es entsteht daher auch eine Zelleuscheibe. (Fische, Reptilien, Vögel.)
2) Superficiale Furchung.
Sie findet sich bei Eiern mit mittelstäudigem Nahruugsdotter. In typischen Fällen theilt sich allein der iu der Mitte des Eies gelegene Kern zu wiederholten Malen. Die so entstehenden zahlreichen Tochter- kerne rücken in die den centralen Nahrungsdotter einhüllende Proto- plasmariude, die darauf in so viele Stücke zerfällt, als Kerne in ihr liegen. Es entsteht eine Keimhaut (Arthropoden).
7. Die Richtung und Stellung der ersten Theilungsebeuen ist eine streng gesetzmässige, in der Organisation der Zelle begründete; sie wird durch folgende 3 Momente bestimmt:
Erstes Moment. Die Theilungsebene halbirt stets rechtwinkelig die Axe des sich zur Theiluug anschickenden Kerns.
Zweites Moment. Die Lage der Kernachse während der Thei- luug steht in einem Abhängigkeitsverhältuiss zur Form und Diti'eren- zirung des umhüllenden Protoplasma.
In einer Protoplasmakugel kann die Achse der central gelagerten Kernspindel iu der Richtung eines jedem Radius liegen, in einem eiför- migen Protoplasmakörper dagegen nur in dem längsten Durchmesser.
Der Furchungsprocess. 57
In einer kreisrunden Scheibe liegt die Kernachse parallel zur Oberfläche derselben in einem beliebigen Durchmesser des Kreises, in einer ovalen Scheibe dagegen nur wieder im längsten Durchmesser.
Drittes Moment. Bei inaequal sich furchenden Eiern, die wegen ihres ungleichmässig vertheilten und polständigen Deutojjlasma geocentrisch sind und daher eine bestimmte Gleichgewichtslage ein- nehmen, müssen die beiden ersten Theilungsebenen verticale und die dritte Theilungsebene eine horizontale, oberhalb des Aequators der Ei- kugel gelegene sein.
Literatur.
Ausser den schon im zweiten Capitel iuifgefülirteu Schriften siehe :
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II. Hcilk. 1873. Strasburger. Zellbildung und Zelltheilung. 3. Auß. Jena 1875.
VIERTES CAPITEL. Allgemeine Besprechung der Entwicklungsprincipien.
Die bisher betrachteten embryonalen Vorgänge hat ein einfaches Priucip ausschliesslich beherrscht. Einzig und allein durch die Sub- stanzzerklüftung des Eies oder die Zelltheilung ist der ursprünglich einfache Elenientarorganismus in einen Zellenstaat umgewandelt worden. Derselbe zeigt eine denkbar einfachste Form, indem er eine Hohlkugel darstellt, deren Wand aus einer einfachen oder mehrfachen Schicht von Epithelzellen gebildet wird. Um aus diesem einfachen Organismus com- plicirtere Formen mit ungleichartigen Organen zu erzeugen, wie die ausgebildeten Thiere sind, reicht das einfache Princip der Zelltheilung nicht aus; weitere Fortschritte in der Entwicklung können von jetzt ab nur dadurch herbeigeführt werden, dass noch zwei andere gleichfalls sehr einfache Principien in Wirksamkeit treten, nämlich das Princip des ungleichen Wachsthums einer Zellmembran und das Princip der Arbeitstheilung und der damit in Zusammenhang stehenden histologi- schen Differenzirung.
Fassen wir zunächst das Princip des ungleichen Wachsthums näher in das Auge. Wenn in einer Zellenmembrau die einzelnen Ele- mentartheile sich gleichmässig zu theilen fortfahren, so wird entweder eine Verdickung derselben oder eine Grössenzunahme in der Fläche die Folge davon sein. Das erstere tritt ein, wenn die Theilungsebenen der Zellen der Oberliäche der Membran gleich gerichtet sind, das letz- tere, wenn sie vertical zu ihr stehen. Bei der Grössenzunahme in der Fläche werden die ursprünglich vorhandenen Zellen durch das Ein- schieben neuer Tochterzellen gleichmässig und allmählich auseinander gedrängt, da sie ja weich und dehnbar und nur durch eine weiche Kitt- substanz verbunden sind. Nehmen wir nun an, dass ein solches bei der Keimblase während ihrer weiteren Entwicklung allein stattfände, so könnte nichts anderes aus ihr entstehen, als eine nur immer grösser und dicker werdende Hohlkugel von Zellen.
Anders gestaltet sich die Wirkung eines ungleichen Flächenwachs- thums. Wenn in der Mitte einer Membran eine Zellengruppe allein sich zu wiederholten Malen in kurzer Zeit durch verticale Ebenen theilt, so wird sie plötzlich eine viel grössere Oberfläche für sich in Anspruch nehmen müssen und wird in Folge dessen einen energischen Wachs- thumsdruck auf die Zellen der Umgebung ausüben und sie auseinander zu drängen versuchen. In diesem Falle aber wird ein Auseinander- weichen der benachbarten Zellen, wie beim langsamen und gleichmässig vertheilten interstitiellen Wachsthum, nicht möglich sein; denn es wird
Yiertes Capitel. Allgemeine Besprechung der Entwicklungsprincipien. 59
die sich passiv verhaltende Umgebung gleichsam einen festen Rahmen, wie His sich ausgedrückt hat, um den sich dehnenden Theil bilden, der in Folge beschleunigten Wachsthums eine grössere Oberfläche für sich beansprucht. Er muss sich mithin in anderer Weise Platz schaffen und seine Oberfläche dadurch vergrössern, dass er aus dem Niveau des passiven Theils nach der einen oder andern Richtung heraustritt und eine Falte hervorruft. Letztere wird siclf noch weiter vergrössern und über das ursprüngliche Niveau weiter erheben, wenn die lebhaf- teren Zelltheilungsprocesse in ihr andauern. So ist jetzt durch ungleiches Wachsthum aus der ursprünglich gleichartigen Zellenmembran ein neuer für sich uuterscheidbarer Theil oder ein besonderes Organ entstanden.
Wenn die sich einfaltende Membran, wie es bei der Keimblase der Fall ist, einen Hohlraum umschliesst, so sind bei der Falten bil - düng zwei Fälle denkbar. Erstens kann sich die Membran in das Innere des Körpers hineinfalten, welchen Vorgang man in der Entwick- lungsgeschichte als Invagiuation oder Eiufaltung bezeichnet. Zweitens kann durch Ausstülpung eine Falte entstehen , welche über die Ober- fläche des Körpers frei hervorragt.
Im ersten Falle sind im Einzelnen zahlreiche Variationen mög- lich, so dass die verschiedenartigsten Organe, wie z. B. die Drüsen des thierischen Körpers, Theile von Sinnesorganen, das Centralnerveiisystem u. s. w. gebildet werden.
Bei der Entstehung der Drüsen stülpt sich ein kleiner, kreisförmig umschriebener Theil einer Zellenmembran in das Innere des Körpers in das unterliegende Gewebe als ein Hohlcylinder (Fig. 33 l u. 4) hinein und kann durch fortgesetztes Wachsthum eine bedeutende Länge erreichen. Hierbei geht die p]instülpung entweder in die tubulöse oder in die acinöse Drüsenform über. Besitzt der Drüsenschlauch vom Ur- sprung bis zum blinden Ende nahezu gleichmässige Dimensionen , so erhalten wir die einfache tubulöse oder röhrenförmige Drüse (Fig. 33 i) (die Schweissdrüsen der Haut, Lieberkühn'sche Drüsen des Darms). Von ihr unterscheidet sich die acinöse Drüsenform dadurch, dass der ein- gestülpte Schlauch nicht gleichmässig weitervvächst, sondern sich an sei- nem Ende zu einem Sacke
(db) ausweitet (Fig. 33 5), ^ 2. 3. 4. 5. 6.
während der Anfangstheil eng und röhrenförmig bleibt und als Ausfüh-
rungsgang (a) dient. Com- plicirtere Drüsenformen treten in die Erscheinung, wenn am einfachen Drü- sensclilauch sich dieselben Processe, welchen er seine Entstehung verdankt, wie- derholen, wenn an einer kleinen Stelle desselben abermals ein lebhafteres Wachsthum stattfindet
da da
db
db
db
Fig. 33. Schema der Drüsenbildung.
1. einfache tubulöse Drüse, 2. verzweigte tubulöse Drüse, 3. verzweigte tubulöse Drüse mit netzförmigen Verbindungen; 4 u. 5. einfache acinöse Drüse, a Ausführgang, db Drüsenbläschen; 6. verzweigte acinöse Drüse.
60 Viertes Capitel.
und eine Partie sich als Seitenschlauch vom Hauptschlauch abzusetzen beginnt (Fig. 33, 2 u. 6). Indem derartige Ausstülpungs Vorgänge sich vielmals wiederholen , kann die ursprünglich einfache Drüsenröhre die Gestalt eines vielverzweigten Baumes gewinnen , au welchem wir den zuerst gebildeten Theil als Stamm und die durch Sprossung an ihm hervorgewachseneu Theile je nach ihrem Alter und der dem Alter ent- sprechenden Stärke als Haupt- und Nebenzweige erster, zweiter, dritter und vierter Ordnung unterscheiden. Je nachdem nun hier die hervor- sprossenden Seitenschläuche röhrenförmig bleiben oder sich wieder sack- artig ausweiten, entsteht die zusammengesetzte tubulöse Drüse (Fig. 33, 2), (Nieren, Hoden, Leber), oder die zusammengesetzte aciuöse Drüse (Fig. 33, 6), (Talgdrüsen der Haut, Schleimdrüsen, Speicheldrüsen, Pancreas).
Wieder andere Formen nimmt der sich einstülpende Theil einer ur- sprünglich glatt ausgebreiteten Membran bei der Bildung von Sinnes- organen und vom Cen tralnervensy s tem an. Der die Nerven- endigung tragende Theil des Gehörorgans zum Beispiel oder das häutige Labyrinth entwickelt sich aus einer kleinen Strecke der Körperoberfläche, die, indem sie eine besondere Wachsthumsenergie erhält, sich zu einer kleinen Grube einsenkt (Fig. 34). Die Ränder des Hörgrübchens wachsen hierauf einander entgegen , so dass sich dieses mehr und mehr in ein Säckchen umbildet, das nur noch durch eine enge Oeffnung an der Kör- peroberfläche ausmündet (Fig. 34 a). Schliesslich wächst auch noch die enge Oeflnung zu. Aus dem Hörgrübchen ist ein allseitig geschlossenes Hörbläschen {h) entstanden , das sich hierauf von seinem Mutterboden, dem Epithel der Köri)erobcrfläche, ganz ablöst. Später gewinnt dasselbe
ebenfalls nur durch ungleiches Wachsthum ein- o b zeluer Abschnitte, durch Einschnürungen und
verschiedenartige Ausstülpungen eine so ausser- ordentlich complicirte Gestalt, dass es den Na- men des häutigen Labyrinthes mit Fug und Recht erhalten hat, wie in einem anderen Ca- pitel noch ausführlich gezeigt werden wird.
Fig. 34. Schema der Bildung des , Hörbläschens.
a [lörgriibchen , b Hörbläschen , das durch Abschnürung entstanden ist und mit dem äusseren Keimblatt noch durch einen soliden Epithelstiel zusammenhängt.
Als letztes Beispiel einer Einstülpung möge die Entwicklung des Centralnervensystems dienen. Dasselbe erscheint am Anfang der Ent- wicklung als ein in der Längsachse des embryonalen Körpers gelegener Theil der oberflächlichen Zellenmembran , der sich durch eine grössere Dicke vor seiner Umgebung auszeichnet und als Medullarplatte unter- schieden wird (Fig. 35 Ä, mp). Lidern dieselbe rascher wächst als ihre Umgebung, krümmt sie sich zu einer erst flachen Rinne, der Medul- larfurche, ein. Dieselbe vertieft sich bei weiterer Substanzzunahme. Hierbei erheben sich die Ränder der Furche (Fig. 35 A, mf), an wel- chen die dickere gekrümmte Medullarplatte in den dünneren Theil der Zellenmembran übergeht, über das Niveau der letzteren ein wenig empor und werden zu den sogenannten Medullarfalten. Später (Fig. 35 B) wachsen dieselben (mf) einander entgegen und legen sich mit ihren Rändern an einander, so dass die Medullarfurche nunmehr zu einer Röhre wird, die durch einen engen Längsspalt vorübergehend noch nach aussen geöfthet ist. Schliesslich schwindet auch dieser Spalt (Fig. 35 C),
Allgemeine Besprechung der Entwickluugsprincipien
mf mf
61
mf
mp
CÄ
inj)
eil ep
dh
Fig. 35 Querschnitte durch die Rückenhälfte von 3 Tritonlarven.
A Querschnitt durch ein Ei, an welchem die Medullarfalten mf hervorzutreten be- ginnen.
B Querschnitt durch ein Ei, dessen Medullarfurche dem Versciiluss nahe ist.
C Querschnitt durch ein Ei mit geschlossenem Nervenrohr und wohl entwickelten Ur- segmenten. vif Medullarfalten, mp Medullarplatte, n Nervenrohr, ch Chorda, ep Epi- dermis oder Hornblatt, mk mittleres Keimblatt, mh^ parietales, mk'^ viscerales Mittelblatt, ik inneres Keimblatt, ush Ursegmenthöhle.
die Ränder der Falten verwachsen , das geschlossene Medollarrohr {n) löst sich hierbei wie das Hörbläschen längs der Verwachsuugsstelle oder Naht von der Zellenraenibran , von der es ursprünglich ein Bestand- theil gewesen ist, vollständig ab und wird zu einem ganz selbständigen Organ {n).
Betrachten wir jetzt noch etwas näher den Mechanismus der Ver- wachsung und Ablösung des Nervenrolires,
62
Viertes Capitel.
Die beiden Medullarfalten setzen sich aus zwei Blättern zusammen, die am Faltenrand in einander umbiegen , aus der dickeren , die Rinne oder das Rohr begrenzenden Medullarplatte (mp) und aus dem dünneren nach aussen gelegenen Hornblatt (ej)). Wenn sich nun die Falten an ein- ander legen , verschmelzen sie nicht nur längs einer schmalen Kaule, sondern in so breiter Ausdehnung, dass sich Hornblatt mit Hornblatt und die Ränder der Medullarplatte unter einander verbinden. Das so entstandene MeduUarrohr und das darüber hinweg ziehende geschlos- sene Hornblatt hängen noch längs der Verwachsungsnaht durch eine intermediäre Zellenmasse zusammen. Bald aber findet längs derselben eine Trennung statt, indem der intermediäre Substanzstreifeu immer schmäler wird und ein Theil desselben sich dem Hornblatt , ein Theil dem Medullarrohr anschliesst. So greifen bei der Nahtbildung Verschmelzungs- und Trennungsprocesse fast gleichzeitig in einander, ein Vorgang, der auch bei anderen Einstülpungen sich vielfach wieder- holt, wie bei der Abschnürung des Gehörbläscheus , des Linsensäck- chens u. s. w.
Das selbständig gewordene Nervenrohr gliedert sich später noch in mannigfacher Weise durch P'altenbildung in Folge ungleichen Flä- chenwachsthums namentlich in seinem vorderen erweiterten Abschnitt, der zum Gehirn wird. Aus diesem bilden sich durch vier Einschnü- rungen fünf hinter einander gelegene Hirnblaseu , und von diesen ist wieder die vorderste, die zum Grosshirn mit seinen complicirten P'urchen und Windungen erster, zweiter und dritter Ordnung wird, ein classi- sches Beispiel, wenn es zu zeigen gilt, wie durch den einfachen Pro- cess der Faltenbildung ein ausserordentlich reichgegliedertes Organ mit verwickelter Formbildung entstehen kann.
Neben der Einstülpung spielt bei der Formgebung des thierischen Körpers die zweite Art der Faltenbildung, die auf einem A u s - stülpungsprocess beruht, eine nicht minder wichtige Rolle und bedingt nach aussen hervortretende Fortsätze der Körperoberfläche, welche ebenfalls verschiedene Formen annehmen können (Fig. 36). Bei Wucherung eines kleinen kreisförmigen Bezirks einer Zellmembran ent- stehen zapfenförmige Erhebungen, wie auf der Zungenschleimhaut die
Papillen (c), oder im Dünndarm die feinen Zotten (a) (Villi intestinales), welche sehr dicht aneinander gelagert eine sammt- artige BeschaÖenheit der Oberfläche der Darmschleimhaut verleihen. Wie die tubu- löscn Drüsenschläuche sich reichlich ver- ästeln können, so entwickeln sich hie und da auch aus den einfachen Zotten Zotten- büschel, indem locale Wucherungen das Hervorsprossen von Seitenästen zweiter, dritter und vierter Ordnung veranlassen. (Fig. 36 h). Wir erinnern an die äusseren Kiemenbüschel verschiedener Fisch- und Amphibienlarven, welche in der Halsgegend frei in das Wasser hineinragen, oder an " * die durch noch reichere Verzweigung aus-
Fig. 36. Schema der Papillen- und Zottenbildung.
a eiiifaclie Papille, ä verästelte Papille oder Zottenbüschel, c einfache Papille, deren Bindegewel)sgrundstock in 3 Spitzen ausläuft.
Allgemeine Besprechung der Entwicklungsprincipien. 63
gezeichneten Chorionzotten der Placentalthiere. Auch die Extrem itäten- bikiung ist auf solche nach aussen hervortretende Knospungsprocesse zurückzuführen.
Wenn die Wucherung der Membran längs einer Linie erfolgt, bilden sich mit dem freien Rande nach aussen gerichtete Kämme oder Falten wie am Dünndarm die Kerkring'scheu Falten oder an den Kiemenbügen der Fische die Kiemenblättchen.
Aus den angeführten Beispielen ist klar zu ersehen, wie allein mit dem einfachen Mittel der Ein- und Ausstülpung die reichste Form- gestaltung erzielt werden kann. Dabei können die Formen noch durch zwei Processe von mehr untergeordneter Bedeutung modificirt werden, durch Trennungen und durch Verschmelzungen, die an den Zellschichten stattfinden. Blasenförmige und schlauchförmige Hohlräume erhalten Oeflfnungen, indem sich an einer Stelle, wo die Blase oder der Schlauch nahe der Körperoberfläche liegt, die trennende Wand verdünnt, bis eine Durchbohrung stattfindet. So entwickeln sich am ursprünglich geschlossenen Darmrohr der Wirbelthiere die Muud- und die After- öfinung sowie in der Halsgegend die Kiemenspalten.
Noch häufiger wird der entgegengesetzte Process, die Verschmel- zung, beobachtet. Sie gestattet mehrere Variationen. Wir haben schon gesehen, wie die Einstülpungsränder sich zusammenlegen und verwachsen können, wie bei der Entwicklung des Hörbläschens, des Darmschlauchs, des Nervenrohrs. Die Verwachsung kann aber auch in grösserer Aus- dehnung stattfinden , wenn die einander zugewandten Flächen einer eingestülpten Membran sich mehr oder minder vollständig fest an ein- ander legen und sich so verbinden, dass sie eine einzige Zellenmem- bran herstellen. Solches geschieht zum Beispiel beim Verschluss der embryonalen Kiemenspalten, bei der Bildung der drei halbcirkelför- migen Kanäle des Gehörorgans oder als pathologischer Process bei der Verlöthung der sich berührenden Flächen seröser Höhlen. Ferner können Verschmelzungen zwischen Schläuchen erfolgen, die mit ihren Spitzen in Berührung kommen , was sehr häufig bei den zusammengesetzten tubu- lösen Drüsen stattfindet (Fig. 33, 3). Von den zahlreichen aus einem Drüsentubulus hervorgesprossten Seitenästen legen sich einige mit ihren Enden an benachl)arte Aeste an , verschmelzen mit ihnen und treten dadurch, dass die Zellen an der Verlöthuugsstelle auseinanderweichen, in offene Verbindung. So geht die verzweigte in die netzförmige tubu- löse Drüse über, zu der beim Menschen Hoden und Leber gehören.
Neben der Faltenbildung epithelialer Lamellen, welche in hohem Grade variirend die Gliederung der thierischen Körper im Allgemeinen bestimmt, wurde noch als ein zweites E n t w i c k 1 u n g s - p r i n c i p von fundamentaler Bedeutung die A r b e i t s t h e i - lung un d die mit ihr zusammenhängende histologische Differenz irung genannt. Um dieses Princip in seiner Bedeutung für die Entwicklung ganz zu verstehen, müssen wir davon ausgehen, dass sich das Leben aller organischen Körper in einer Summe verschie- dener Verrichtungen oder Functionen äussert. Die Organismen nehmen Stofle von aussen in sich auf, wobei sie das Brauchbare ihrem Körper einverleiben und das Unbrauchbare entfernen (Function der Ernährung und des Stoffwechsels), sie können die Form ihres Körpers durch Zu- zammenziehung und Ausdehnung verändern (Function der Bewegung), sie sind in der Lage auf äussere Reize zu reagiren (Function der Erreg- barkeit), sie besitzen endlich die Fähigkeit, neue Gebilde ihres Gleichen
64 Viertes Capitel. Allgemeine Besprechung der Entwicklungspriucipien,
zu erzeugen (Function der Fortpflanzung). Bei den niedersten viel- zelligen Organismen verrichten noch alle einzelneu Theile in gleicher Weise die aufgeführten für das organische Leben uothwendigen Func- tionen; je höher ausgeliildet aber ein Organismus wird, um so mehr sehen wir, dass seine einzelnen Zellen sich in die Aufgaben des Lebens theihin, dass einige vorzugsweise das (Jeschäft der Ernährung, andere der Be- wegung, andere der Reizbarkeit und wieder andere das Geschäft der Fortpflanzung übernehmen, und dass mit dieser Arbeitstheilung zugleich ein höherer Grad der Vollkommenheit, mit welchei' die einzelnen Func- tionen ausgeführt werden, verbunden ist. Die Ausbildung einer Ijeson- deren Arbeitsleistung führt stets auch zu einem veränderten Aussehen der Zelle ; mit der physiologischen Arbeitstheilung geht stets auch Hand in Hand eine morphologische oder histo- logische Differenzirung.
Elementartheile, welche das Geschäft der Verdauung l)esonders be- sorgen , sind als Drüsenzellen zu unterscheiden ; wieder andere , die das Vermögen der Contractilität weiter ausgebildet haben , sind zu Muskel- zellen geworden , andere zu Nervenzellen , andere zu Geschlechtszellen u. s. w. ; die eine gleiche Verrichtung l)esorgenden Zellen liegen meist gruppenweise zusammen und stellen ein besonderes Gewebe dar.
So umfasst das Studium der Keimesgeschichte eines Organismus hauptsächlich zwei Seiten ; die eine Seite ist das Studium der Form- bildung, die zweite das Studium der histologischen Ditierenzirung. Wir können gleich hinzufügen, dass sich die Formbildung bei den höheren Organismen hauptsächlich in den Anfangsstadien, die histologische Dif- ferenzirung in den Eudstadien der Entwicklung vollzieht.
Die Kenntniss dieser leitenden Gesichtspuncte wird uns das Ver- ständniss der weiteren Entwicklungsvorgäuge wesentlich erleichtern.
FÜNFTES CAPITEL.
Entwicklung der beiden primären Keimblätter. (Gastraeatheorie.)
AP
Die Fortschritte, die auf den nächsten Stadien in der Entwicklung der Keimbhise herbeigeführt XV^crden, beruhen in erster Linie auf Fal- tungsprocessen. Hierdurch entstehen Larvenformen, die sich zu- nächst aus zwei und später aus vier Epithehuembranen oder Keim- blättern aufbauen.
Die aus 2 Keimblättern zusammengesetzte Larven- form heisst die Darmlarve oder Gastrula. Sie besitzt eine hohe entwickkmgsgeschichtliche Bedeutung, da sie sich, wie Haeckel in seiner berühmten Gastraeatheorie gezeigt hat, in jedem der sechs Hauptstämme des Thierreichs findet und so einen gemeinsamen Aus- gangspunkt abgiebt, von welchem sich in divergenter Richtung die ein- zelnen Thierformen ableiten lassen. Wie vier verschiedene Arten von Keimblasen je nach demReichthum und der Vertheilungsweise des Dotters unterschieden werden konnten , so ist dasselbe auch bei der Gastrula der Fall. Von einer einfachen Grundform aus sind drei weitere Modi- ficationen entstanden, denen wir mit Ausnahme einer einzigen, welche für viele Arthropoden characteristisch ist, im Stamm der Wirl)elthiere begegnen werden.
Die einfachste und ur- sprünglichste Form, mit deren Betrachtung wir zu be- ginnen haben , findet sich nur in der Entwicklungs- geschichte des Amphio- xus lanceolatus.
Wie schon früher gezeigt wurde , wird beim Amphioxus die Keimblase von Cylinderzellen begrenzt, die zu einem einschich- tigen Epithel fest zusammen- schliessen (Fig. 87). An einer
Stelle, welche als vegetativer Pol ,^i^- ^^- , Keimblase des Amphioxus lan-
/ TrT)\ 1 '11+ A 1 ceolatus nach Hatschek.
\y r") l)ezeicnnet werden Kann, 7,7^ Furchungshöhle, az anlmale, vz vegeta-
Sind die Zellen {VS) etwas griiSSer tiveZeUen. AP, rPanimaler, vegetativer Pol.
0. H e r t Vi i %■ , Kntwicklungsgoschiclite. 2. Aufl, K
Fh
as
vz
66
Fünftes Capitel.
Fig. 38. Gastrula des Amphioxus lan- ceolatus nach Hatscuek.
ah äusseres Keimblatt, ik inneres Keim- blatt, M Urmund, ud Urdarm.
uiicl flurcli eingelagerte Dotterkörnchen trül)er. An dieser Stelle nimmt der Process der Gastnil a1)ildimg seinen Anfang. Die vegetative Fläche beginnt sich zunächst al)ZuHacheu und nach der Mitte der Kugel einzu- buchten. Durch Weiterschreiten der Einstülpung wird die Grube tiefer und tiefer, während die FurchungshiUile in demselben Maasse sich verkleinert.
Schliesslich legt sich der einge- stülpte Theil (Fig. 08 ik) unter voll- ständiger Verdrängung der Fur- chungshöhle an die Innentiäche ^. des entgegengesetzten, nicht ein- gestülpten Theiles ak der Keim- * blase an. Als Endresultat ist aus ud der Kugel mit einfacher Wand ein becherförmiger Keim mit doppel- ten W^andungen, die Gastrula, ent- standen.
Die Höhle derselben, welche sich von der Einstülpung herleitet und „ nidit mit der Furchungshöhle, welche durch sie verdrängt wor- den ist, verwechselt werden darf, ist der Urdarm {ud) oder die Darm- leibeshöhle (Coeleuteron). Sie öff- net sich nach aussen durch den Urmund (m). Da der Name Urdarm und Urmund leicht eine irrthümliche Vor- stellung hervorrufen könnte, so sei, um einer solchen gleich hier schon vorzubeugen, bemerkt, dass der durch die erste Einstülpung entstandene Hohlraum und seine OeÖ'nung nach aussen dem Darmrohr und dem Mund des ausgewachsenen Thieres nicht gleichwerthig sind. Der Ur- darm des Keimes liefert zwar die Grundlage zum Darmrohr, lässt aber ausser ihm noch eine Anzahl anderer Organe, wie hauptsächlich die spätere Brust- und Leibeshöhle aus sich hervorgehen. Die zukünftige Bestimmung des Hohlraumes wird daher besser durch die Bezeichnung „Darmleibeshöhle oder Coelenteron" ausgedrückt. Der Ur- mund endlich ist bei den Wirbelthieren nur ein vergängliches Gebilde; er schliesst sich später und verschwindet, ohne eine Spur zu hinter- lassen, während der bleibende oder secundäre Mund sich ganz neu bildet. Die beiden Zellenschichten des Bechers, welche am Rande des Ur- mundes in einander umbiegen, heissen die beiden primären Keimblätter und werden nach ihrer Lage als das äussere {ah) und als das innere {ilc) unterschieden. Während bei der Keimblase die ein- zelnen Zellen von einander noch wenig verschieden sind, beginnt mit dem Process der Gastrulabildung sich eine Arbeitstheilung zwischen den beiden Keimblättern geltend zu machen, was bei den frei herum- schwimmenden Larven wirbelloser Thiere zu erkennen ist. Das äussere Keimblatt {alc) (auch Ektoblast oder Ektoderm genannt) dient als Körperbedeckung, ist zugleich Organ der Empfindung und vermittelt in dem Falle, wo sich Flimmern auf den Zellen entwickeln, wie beim A mphioxus , die Fortbewegung. Das innere Keimblatt {ih) (Entoblast oder Kintoderm) kleidet die Darmleibeshöhle aus und besorgt die Nahrungsaufnahme. Beide Zellschichten stehen somit in einem Gegensatz zu einander im Hinblick sowohl auf ihre Lage als auch auf
Entwicklung der beiden primären Keimblätter (Gastraeatlieorie). 67
ihre Function, da eine jede eine besondere Aufgabe übernommen hat. In dieser Hinsicht sind sie von C. E. v. Baer als die beiden Ur- oder Primitivorgane des thierischen Körpers bezeichnet worden. Sie bieten uns ein sehr lehrreiches, weil sehr einfaches Beispiel für die Entstehungsweise zweier Organe aus einer einheitlichen Anlage. Durch die Einstülpung sind die gleichartigen Zellen der Kugeloberfläche in verschiedene Beziehungen zur Aussenwelt gebracht worden und haben demgemäss verschiedene Entwicklungsbahnen eingeschlagen und sich be- sonderen, den neuen Verhältnissen entsprechenden Aufgaben anpassen müssen.
Die Sonderuug des embryonalen Zellenmaterials in die beiden Pri- mitivorgane Baer's ist für die ganze weitere Entwicklungsrichtung der einzelnen Zellen von ausschlaggebender Bedeutung. Denn auf jedes der beiden Primitivorgane ist eine ganz bestimmte Summe der definitiven Organe des Körpers zurückzuführen. Um dieses wichtige Verhältniss gleich in das rechte Licht zu setzen, sei erwähnt, dass das äussere Keimblatt den epithelialen Ueberzug des Körpers, die Epidermis mit Drüsen und Haaren, die Anlage des Nervensystems und die functionell wichtigsten Theile der Sinnesorgane liefert. Deswegen legten ihm die älteren Embryologen den Namen des Hautsinnesblattes bei; das innere Keimblatt dagegen wandelt sich in die übrigen Organe des Körpers um, in den Darm mit den Drüsen, in die Leibeshöhle, in die Muskeln u. s. w.; es sondert sich demnach in die weitaus überwiegende Masse des Körpers und hat während der Entwicklung die meisten und ein- schneidendsten Metamorphosen durchzumachen^).
Ganz ähnliche Larvenformen wie beim Amphioxus sind auch bei wirbellosen Thiereu aus dem Stamm der Coelenteraten, Echinodermen, Würmer und Brachiopoden beobachtet worden. Sie verlassen meist schon auf diesem Stadium die Eihülle, um sich mit Flimmern im Wasser fortzubewegen; auch können sie schon jetzt Nahrungsbestand- theile, kleine Infusorien, Algen oder Reste grösserer Thiere durch den Urmund in den verdauenden Hohlraum aufnehmen und zum weiteren Wachsthum ihres Körpers verwenden. Hierbei werden die unbrauch- baren, weil nicht verdaulichen Stott'e wieder auf demselben Wege aus dem Körper ausgestossen. Bei den höheren Thieren ist eine Nahrungs- aufnahme zu dieser Zeit nicht nur unmöglich, sondern auch überflüssig, weil das Ei und die aus ihm entstandenen Embryonalzellen noch Dotter- körnchen, die langsam aufgebraucht werden, enthalten.
Auf die einfacheren Verhältnisse des Amphioxus sind die Modifi- cationen, welche die Gastrulabildun g bei den Amphibien er- fährt, unschwer zurückzuführen. Beim Wassersalamander, der uns bei der Darstellung als Beispiel dienen soll, ist die eine Hälfte der Keim- blase (Fig. 39), welche man die animale nennt, dünnwandig und wird aus kleinen (beim Frosch schwarz pigmentirten) Zellen zusammengesetzt, welche in 2 bis 3 Lagen über einander liegen. Die andere oder vege- tative Hälfte (d^) zeigt eine stark verdickte Wandung aus viel grösseren
1) Das äussere und das innere Keimblatt als animales und vegntatives zu unterscheiden, wie es früher geschehen und auch jetzt noch geschieht, ist nicht richtig und soHte mithin aufgegeben werden. Denn die quergestreifte Körpermusculatur, welche zu den auimalen Organen des Körpers gehört, stammt nicht, wie man früher auf Grund falscher Beobach- tungen glaubte, von dem äusseren, vielmehr, wie jetzt von vielen Seiten festgestellt ist, vom primären inneren Keimblatt ab.
5*
68
Fünftes Capitel.
dotterreicben polygonalen Zellen {dz), welche, in
Lagen
locker
zusamniengehäuft, einen
hügeligen
eingeengten
39. Keimblase von Triton tae
Fig niatus.
fh Furchungshöhle , Ez Randzone.
dz DotterzeHen,
eine scharfe, auf ihrer einen Zellen, auf der
später hufeisenförmig
Seite durch anderen
vielen Vorsprung in den so Hohlraum (fh) der Keimblase be- dingen. Wo die ungleich ditieren- zirten Hälften zusammentreften, vermitteln Zellen, welche Götte als Rand Zone {Rz) bezeichnet hat, einen üebergang. Da die /'' animale Hälfte ihrer ganzen Zu- sammensetzung nach ein viel ge- ringeres specifisches Gewicht als ^^ die entgegengesetzte Hälfte be- dz sitzt, ist sie im Wasser ausnahms- los nach oben gerichtet. Erstere bildet die dünnere Decke, letztere den stark verdickten Boden der excentrisch gelegenen Furchungs- höhle.
Wenn die Gastrula sich zu entwickeln beginnt, erfolgt die Einstülpung seitlich an einer Stelle der Randzone (Fig. 40, m) und macht sich äusscrlich durch gekrümmte Furche bemerkbar, die kleine (beim Frosch schwarz pigmcntirte)
begrenzt
vegetativen
blase
die anderen den
Dieser erscheint
EinstiUpung nur
Seite durch grosse helle Elemente
wird. An dem spaltförmigen Urmund stülpen
sich (Fig. 41, u) an seiner dorsalen Lippe
(dl) kleine Zellen, an seiner ventralen Lippe
(vi) die grossen, dotterreichen Elemente der
Hälfte in das Innere der Keim-
hinein und bilden die einen die Decke,
Boden vom Urdarm (ud).
in den ersten Stadien der
als ein enger Spalt neben
der weiteren Furchungshöhle (fh), bald aber
verdrängt er dieselbe vollständig und dehnt
sich dabei am Grund der Einstülpung zu einem
weiten Sack aus, während er nach dem Vv-
mund zu immer eng und spaltförmig bleibt.
Da der Urdarm der Amphibien zuerst von dem
italienischen Naturforscher Rusconi beobachtet
worden ist, findet er sich in älteren Schriften
gewöhnlich als die RuscONi'sche Nahrungshöhle, sowie der Urmuiul
als der RuscoNi'sche After aufgeführt.
Am Schluss des Einstülpungsprocesses ist die ganze Dottermasse oder die vegetative Hälfte der Keimblasc in das Innere zur Begrenzung der Urdarmhöhle aufgenommen und dabei von einer Schicht kleinen- Zellen umwachsen worden. Beim Frosch sieht jetzt die gesammte Ober- fläche des Keims, da hier die kleinen Zellen stark pigmentirt sind, dunkelschwarz aus, mit Ausnahme einer etwa stecknadelkopfgrossen Stelle, die dem Urmund entspricht. Hier nämlich ragt ein Theil der hellen Dottermasse aus dem Urdarm nach aussen hervor und verschliesst
Fig. 40. Ei von Triton, das sich zur Gastrula ent- wickelt, von der Oberfläche gesehen.
u Urmund.
Entwickluug der beiden primären Keimblätter (Gastraeatlieorie). G9
angeordneter
ak
ik
•■ö'^ö''
den Eingang zu ihm gleichsam wie ein Pfropf, daher er auch den be- zeichnenden Namen des Dotterpropfes führt.
Von den beiden Keimblät- tern der Gastrula verdünnt sich später das äussere beim Wassersalamander zu einer einfachen Lage regelmässig cylindrischer beim Frosch dagegen
/eilen,
wird es von 2 bis 3 Lagen kleiner, zum Theil cul)ischer, stark i)igmentirter Elemente gebildet. Das innere Keim- l)latt Ijesteht an der Decke des Urdarmes gleichfalls aus kleinen (beim Frosch pigment- haltigen) Zellen, an der ande- ren Seite aus den grossen Dot- terzellen zusammen
fh
ud
dl
u
vi
dz
die in vielen Lagen jehäuft einen weit in den Urdarm hineinspringen-
Fig 41. Längsdurchschnitt durch ein Ei von Triton mit beginnender Gastrulaeinstülpung,
«Ä;, ik äusseres, inneres Keimblatt ; fh Fur-
ud Urdarm ; u Urmund ; d% Dotter-
zeUen ; dl^ vi dorsale, ventrale Lippe des Urdarms.
chungsböhle
den und ihn zum Theil aus- füllenden Hügel bedingen. Hierdurch muss die Gastrula
der Ami)hibien wieder im Wasser eine bestimmte Ruhelage einnehmen, da die Dottermasse als der schwerere Theil sich immer am tiefsten einstellt.
Der Keim der Amphibien ist jetzt schon ein vollständig bilateral symmetrischer Körper. Die durch den Dotter verdickte \^and der Ga- strula wird zur Bauchseite des späteren Thieres, die entgegengesetzte nach oben gerichtete Wand oder die Decke des Urdarms wird zum Rücken. Der LTrmund bezeichnet uns, wie sich weiterhin ergeben wird, das hintere Ende und der entgegengesetzte Theil den Kopf. Es lassen sich also durch die Gastrula eine Längsaxe, eine dorsoventrale und eine quere Axe hindurchlegen, die den späteren Axen des Thieres entsprechen. Diese bei den Amphibien so früh hervortretende bilaterale Symmetrie ist einzig und allein auf die Ansammlung von Dottermaterial und auf seine Anhäufung in der ventralen Seite des Urdarms zurückzuführen.
Die Entwicklung der Amphibien kann uns die Brücke bilden für das Verständniss der viel stärker abgeänderten Form, welche die Gast- rula bei den Eiern mit partieller Furchung in den Classen der Elasmobranchier, der Teleostier, der Reptilien und Vögel gewinnt.
Am durchsichtigsten liegen noch die Verhältnisse bei den Elas- mobranchiern. Was wir an der Keiml)lase der Amphibien als Decke der Furchungshöhle beschrieben hal)en, ist bei der Keimblase der Elas- mobranchier (Fig. 42) eine kleine Scheil)e embryonaler Zellen {hz), welche mit ihrem Rand in die ausserordentlich voluminöse und nicht in Zellen abgetheilte, aber kernhaltige Dottermasse {dli) übergeht. Letztere ent- spricht den Dotterzellen der Amphibien und stellt wie diese den Boden der Furchungshöhle (B) her. Keimscheibe und Dotter bilden also zu- sammen eine Blase mit einer verschwindend kleinen Höhle (JB) und einer sehr dicken und sehr ungleich differenzirten Wandung. Ein sehr
70 Fünftes Capilel.
dk U
Fig 42. Medianschnitt durch eine Keimscheibe von Pristiu- rus im Keimblasenstadium ikrIi i;^:";;v . -^^ :;.>^:'^^ B ^M-"^^ KiXKEUT. liechts liegt das cm-
't't^:- ■ ■'• , . .•; ;' ,^ iL^-; /-• •'^■''v /''^^Mii^'t bryonale hintere Ende. B Für-
"tJ^I^^V ';;V ../^^^•^ /iÄllJftS« chnngshöhle, <«; Dotterkerne, ^fc»
'W^^^0- ■■■':■■ --^'^^^ Keimzellen, F, Ä vorderer, l.in-
o
terer Rand der Keimscheibc.
kleiner Tlieil der letzteren, die Keiniscbeibe, ist in Zellen zerfallen. Der viel grössere und dickere Abschnitt ist Dotterinasse, die in der Umgebung der Höhle Kerne enthält, aber nicht in Zellen zerfallen ist. Wie Ijei den Amphibien beginnt auch hier die Gastrulaljildung an dem späteren hinteren Ende (//) des Emljryo an einem kleinen Ab- schnitt der Uebergangszoue oder des Keimsclieibenrandes, an welchem die oberflächlichsten Zellen Cylinderform angenommen haben und fest zusammengeschlossen sind (Fig. 42). Dersell)e stülpt sich (Fig. 43)
Ol-
gd ■-
.^l®^/".
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Fig. 43. Medianschnitt durch eine Keimscheibe nach Pristiurus , in welcher die Gastrulaeinstülpung beginnt, nach Rückekt.
ud erste Anlage des Urdarms , £ Furchungshöhle , dJc Dotterkerne , fd feinkörniger Dotter, gd grobkörniger Dotter, V, H vorderer, hinterer Rand der Keimscheibe.
nach der Furchungshöhle (B) zu ein, so dass ein kleiner Urdarm (ud)^ wie der nebenstehende Durchschnitt zeigt, und ein kleiner Urinuud deutlich erkennbar werden. An der Einstülpung betheiligt sich auch der angrenzende Dotter, indem im Bereich der Uebergangszone die von Protoplasma umgebenen Dotterkerne {tili) selbständig werden, als Rund- zellen in die Furchungshöhle mit hineinwachsen und zur Entstehung des inneren Keiml)latts in ähnlicher Weise beitragen, wie bei den Am- phibien die vegetativen Zellen, welche an der unteren Lippe des Ur- munds mit in die Furchungshöhle eingestülpt werden. Immer mehr wird die Furchungslüihle {B) dadurch verdrängt, dass sich an ihre ursprüngliche Decke die von hinten nach vorn einwachsenden Zellen als geschlossene Schicht anlegen. Auch bei den Elasmobranchiern wird mithin die Keimscheibe (lurch Einstülpung zweiljlätterig. Sie liegt dem Dotter so dicht auf, dass der Urdarm höchstens als Spalt erscheint. Die colossale Mächtigkeit des Dotters bedingt einen wichtigen Unter- schied zwischen der Gastrulabildung der Elasmobranchier und der Am- phibien. Bei diesen wurde ziemlich rasch die Masse der Dotterzellen
Entwicklung der beiden primären Keimblätter (Gastraeatheorie). 71
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mit eingestülpt und zur ventralen Wand des Urdarnis verwandt. Bei den Elasniobrancliiern vollzieht sich die Aufnahme des Dotters in das Körperinnere erst sehr langsam (in einer später noch genauer darzu- stellenden Weise), so dass lange Zeit die zweischichtige Gastrula gleich- sam einen durch Dottermasse ausgefüllten Defect aufweist.
An die Eier der Elasmobranchier schliessen sich in ihrer ganzen Entwicklungsweise am meisten die Eier der Knochenfische, Eeptilien und Vögel an. Doch ist hier die Bildung der beiden Keimblätter viel weniger klar gestellt als dort, was zum Theil daran liegt, dass die Untersuchung mit grösseren Schwierigkeiten verknüpft ist. Na- mentlich hat die Entwicklungsgeschichte der Keimblätter Ijeim Hühnchen nicht nur seit De- cennien viele Forscher beschäftigt, sondern dabei auch zu vielfachen Controversen Ver- anlassung gegeben. Beim jetzigen Stand der gesanimten Keimblattfrage wird man aber mit Recht voraussetzen dürfen, dass der Entwick-
lungsgang
l)ei den oben aufgeführten Classen
der Wirbelthiere im Princip und im Wesent- lichen mit demjenigen der Amphibien und Elasmobranchier übereinstimmen wird. Da das Hühnchen in der Geschichte der Embryologie eine so hervorragende Rolle gespielt hat und geradezu als classisches Untersuchungsobject bezeichnet worden ist, scheint es geboten, auch auf die Befunde, welche das Hühnerei auf dem G a s t r u 1 a - S t a d i u m darbietet , in Kürze einzugehen und dabei auch einiger an den Eiern der Reptilien gesammelter wichtiger Befunde zu gedenken.
Während das Vogelei im Endabschnitt des Eileiters verweilt, entsteht die Keimblase und beginnen sich aus dieser die Keimblätter zu entwickeln.
Die Keimblase entsteht in der Weise, dass die Furchungszellen, welche anfänglich dicht zusammengefügt als Scheibe dem Dotter auf- liegen, (Fig. 28), sich von ihm abheben, indem zwischen l)eiden die Furchungshöhle (Fig. 44 FJi) zuerst als ein schmaler, spaltförmiger, später sich vergrössernder Hohlraum sichtbar wird. Sie ist mit eiweisshaltiger, daher coagulir- barer Flüssigkeit erfüllt, welche zahlreiche grössere und kleinere Dotterkörnchen ein- schliesst, daher sie auch als verflüssigter Dotter (Disse) beschrieben worden ist. Die Mitte der Keimscheibe verdünnt sich später mehr und enthält kleinere Zellen als der dickere und aus grösseren Kugeln gebildete Rand, welcher dem trüben Dotter unmittelbar aufliegt und sich von ihm nicht vollständig rein trennen lässt.
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72 Fünftes Capitel.
Wenn man daher jetzt die Keimscheibe vom Dotter abliebt und in geeigneter Untersudmngsflüssigkeit von der Fläche l^etrachtet, so sieht man ein mittleres kreisförmiges Feld, die Area pellucida oder den hellen Fruchthof, und einen trüberen, ringförmigen Rand, den Keim ring oder Area opaca (dunklen Fruchthof). Ferner unterscheidet man die unter ihnen gelegenen entsprechenden Bezirke des Dotters als Boden der Furchungshöhle und als D otter- Avall. In beiden finden sich auf diesem Stadium, wie Götte, Raubek, Balfouk hervorheben, isolirte Kerne (Fig. 44 dk) in derselben Weise wie bei den Elasmol)ranchiern vor. Durch ihre fortgesetzte Theilung liefern sie dotterhaltige Zellen, welche am Rande zur Yergrösserung der Keim- scheibe l)eitragen, am Boden der Furchungshöhle aber dem Dotter ver- einzelt oder in Gruppen aufliegen (Götte).
Während dieses Stadium dem Verständniss keine Schwierigkeiten bereitet, ist dagegen die Entwicklung der beiden primären Keimblätter, welche während des Aufenthaltes der Eier im Eileiter beginnt und in den ersten Stunden der Bebrütung zum vollständigen Abschluss gebracht wird, noch nicht durch Beoliachtung in genügender Weise aufgeklärt. Doch liefert uns die Flächenl)etrachtung der Keimscheibe, sowie die Untersuchung von Durchschnitten eine Anzahl von Anhaltspunkten, welche darauf hinweisen, dass die Entwicklung im Allgemeinen in der schon für die Elasmobranchier gekennzeichneten Weise verläuft.
An frisch gelegten, noch unbebrüteten Eiern kann man bei Be- trachtung von der Fläche, wie zuerst Kupffek, Koller und Gerlacii gefunden haben, Veränderungen an der jetzt 4 mm grossen Keimscheibe erkennen, welche uns ein vorderes und ein hinteres Ende, eine linke und eine rechte Seite der Eniln-yonalanlage zu unterscheiden gestatten. Wenn man ein Ei so vor sich hinlegt, dass der stumpfe Pol nach Hnks, der spitze nach rechts sieht, so zerlegt eine die beiden Eipole verbin- dende Linie die Keimscheibe (Fig. 45, Ä) in eine dem Beobachter zu- gekehrte Hälfte, welche zum hinteren Ende des Embryo wird (ff), und in eine vordere, zum Kopfende sich entwickelnde Hälfte ( V). Während nun in letzterer die Grenze zwischen hellem {hf) und dunklem Frucht- hof (df) (Keimring) zackig und verwischt ist, erscheint sie in der hin- teren Hälfte als eine scharfe Contour (s). Hier zeichnet sich
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Fig. 45. A Die unbebrütete Keimscheibe eines Hühnereies naeli Kollkr. df, /(/ fUuiklcr, lieller Fiuchtliol'; s Sicliel ; 1', // vorderer, liiiitcrei- Rand der Keitn- sclieibe.
B Die Keimscheibe eines Hühnereies in den ersten Stunden der Bebrütung nuch
KOLLKR.
df, hf dunkler, lieUer Fruclitliui"; Ks Embryoiialschild; s Sichel; sh Sichelkiiopf; V, II vorderer, hinterer Rand der Keimscheibe.
EutwickluDg der beiden primären Keimblätter (Gastraeatbcorie). 73
auch der
Keiiiirings
innere Saum des durch weisslicho Färbung und Undurchsichtig- keit aus, was auf eine Wuche- rung der Zellen und dadurch hervorgerufene Verdickung zurückzuführen ist; er hebt sich von der Umgebung deut- lich ab und stellt eine h al Ij - mond- oder sichelför- mige Figur (s) dar. In den ersten Stunden der Be- ])rütung Avird in der Sichel eine tiefe Furche, die Sichel- rinne , bemerkbar , durch welche heller und dunkler Fruchthof am hinteren Ende der Keimscheibe noch schär- fer von einander gesondert sind. Ausserdem bildet sich in der Mitte der Sichel eine Verdickung aus, der Sichel- knopf (Fig. 45 B, sh) , der
Primitiv-
erste
lg- Anfang
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Streifens, der uns in dem nächsten Capitel noch l)e- schäftigen wird. Während dieser Vorgänge ist in der
des hellen Fruchthofes eine Trübung, das sogenannte Embryonalschild (-£"5), ent- standen.
Sagittal- und Querschnitte lehren, dass sich jetzt der Keim auf dem Gastrulasta- dium befindet (Fig. 40^ u. B). Schon nach der Ablage des Eies, noch deutlicher aber nach den ersten Stun- den der Bebrütung sind die beiden primären Keimblätter vollständig entwickelt und durch einen Spaltraum gegen einander scharf abgesetzt. Das äussere Keimblatt {ah) besteht aus einer einfachen Lage dicht zusammengefüg- ter Zellen, die in der Mitte des hellen Fruchthofes cy- lindrisch sind und dadurch die als Embryonalschild oben beschriebene Trüljung her- vorrufen, während sie nach
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74 Fünftes Capitel.
dem Rande und im Bereich des duuldeii Fruelitliofes immer niedriger und platteniirtiger werden.
Das untere Keimldatt {ik) bietet zur Zeit, wo es deutlich entwickelt ist, in gewissem Sinne ein entgegengesetztes Verhalten dar. In dem hellen Fruchthof ist es am dünnsten, es ist eine einlache Lage stark abgeplatteter Zellen ; in dem Bereiche des dunklen Fruchthofes dagegen ist es zum Keim- oder Randwulst {kw) verdickt, der uns grössere, mit Dotterkörnern gefüllte Zellen mehrfach ü1)ereinander gelagert zeigt. Auf etwas früheren Stadien sind die Zellen des unteren Blattes weniger alj- geplattet, liegen lockerer und unregelmässiger zusammen und hie und da mehrfach übereinander. Am Boden der Furchungshöhle finden sich noch isolirte Zellkugeln (ds), die aber ebenso wie die freien Kerne im Dotter später verschwinden.
Die durch die Flächenl)etrachtung nachgewiesenen Unterschiede zwischen vorderem und hinterem Rande der Keinischeil>e sind auch auf Längsdurchschnitten zu erkennen (Fig. 46 Ä). Am vorderen Rande ( V) ist der Randwulst (ktv) dünner und zellenärmer, im Bereich der Sichel (s) dagegen ist er stark verdickt, indem seine Zellen in starker Wucherung begriffen sind. An dieser Wucherung betheiligt sich auch das äussere Keiraldatt am Grund der Sichelrinne, wo es aus 2 bis 3 Lagen kleiner Zellen gebildet wird und dabei ohne Grenze in das untere Keimblatt übergeht.
Wie sind lieide Keimblätter aus der Keimblase hervorgegangen? Zwischen zwei Ansichten gilt es sich hier zu entscheiden. Nach der älteren Ansicht, an der viele Forscher noch jetzt festhalten, hat sich die über der Furchungshöhle gelegene Zellenscheibe in ein oberes und in ein unteres Blatt gleichsam gespalten (Pander, Baer, Remak, Köl- LiKER, His u. a.). Nach der andern Ansicht (Haeckel, Götte, Rau- ber u. a.) ist das untere Blatt durch Einfaltung entstanden. Weder für die Abspaltung noch für die Einfaltung ist zur Zeit ein zwingender Bew^eis zu führen, doch entscheide ich mich für die letztere, weil so die bisher beschriebenen Erscheinungen eine gemeinsame Erklärung fin- den und sich auf die besser erkannten Verhältnisse der übrigen Wirljel- thiere zurückführen lassen. Denn die Einstülpungstheorie erklärt das verschiedene Verhalten des vorderen und des hinteren Endes der Keim- scheibe , die lebhaftere Zellenwucherung im Bereich der Sichel , die Sichelrinne, den daselljst zu constatirenden Uebergang der beiden pri- mären Keimblätter ineinander. Als den Ort, von dem noch vor der Ablage des Eies die Einstüljtung ausgegangen ist, haben wir die Gegend der Sichel zu bezeichnen. Eine Andeutung der Einstülpungs- öffnung ist die Sichelrinne; sie entspricht dem Urmund der bisher Ijetrachteten Wirbelthiere. Daher gehen an ihr wie an den Urmundräudern die beiden Keiml)lätter in einander über, daher bildet sich in ihrer Umgebung, weil von hier die Anlage und das VVachsthum der beiden primären und später der beiden mittleren Keimblätter erfolgt, wie hei den Amphibien und Elasmobranchiern , eine stärkere Zellenan- häufung aus. Wenn diese Erklärung richtig ist, so entspricht jetzt der zwischen dem unteren Keimblatt und dem Dotterboden gelegene Spalt- rauni, wie schon GörTE und Raui'.i:u richtig bemerkt haben, nicht mehr der Furchungshöhle des vorausgegangenen Stadiums der Keimblase (Fig. 44), sondern der in Folge des Einstül])ungsprocesses neugebil- deten Urd arm höhle. Ein Rest der durch den Urdarm verdrängten
Eni-wickluDg der beiden primären Keimblätter (Gastraeatheorie). 75
Furcliimgshöhle liat sich nur noch in dem die beiden ])nniären Keim- blätter trennenden Spalt erhalten.
Zur Klärung der schwebenden Streitfrage dienen auch Befunde, die KupPFER und BenecuvE bei der Untersuchung der den Vögeln so nahe stehenden Reptilien gewonnen ha])en. Bei Lacerta agilis (Fig. 47), Emys europaea etc. findet sich , wie beim Huhn , am hinteren Ende der auf
Fig. 47. Embryonal- anlage von Lacerta agilis nach KuPFi'ER.
Vi ^f heller, dunkler FrucLthof; ■« Urmund; s Sichel ; es Embryonalschild. F, B. Vorderes, hinteres Ende.
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einem entsprechenden Stadium stehenden Keimscheibc an der Grenze des hellen und des dunklen Fruchthofes eine in der Form einer Sichel (s) auftretende Wucherung. In der Mitte und etwas nach vorn von der- selben sieht man eine kleine, quer gestellte, spaltförmige Oeffnung (m), die in einen Blindsack hineinführt und der Sichelrinne vergleichbar ist. Mit Recht deutet Kttpffer die Oetinung als Urmund, der von einer vorderen und einer hinteren Ur- mundlippe umsäumt wird, und den Hohlraum als Urdarm, wie er auch einen Vergleich zwischen den entsprechenden Bildungen der Vögel und Reptilien zieht ^ ),
Noch schwieriger als beim Hühnchen ist die K e i m b 1 a 1 1 e n t w i c k - lung der Säugethiere in ihrem Detail festzustellen und auf die Gastrulation der übrigen Wirbelthiere zurückzuführen. Durch die müh-
1) In der Darstellung, wie sich bei den Eiern der Reptilien und Vögel die Einstül- pung vollzieht , weiche ich von anderen Forschern , die auch eine Gastrulation stattfliiden lassen (Götte, Haeckel, Räuber, Bali-ouu etc.), ab. Dieselben betrachten den Rand der Keimscheibe als den Urmundrand und lassen sich an ihm das äussere in das innere Keim- blatt umschlagen. Meiner Darstellung nach erfolgt die Einstülpung an einer kleinen um- schriebenen Stelle und zwar nicht am Rand, sondern in einiger Entfernung von demselben an der Grenze des hellen und des dunklen Fruchthofes. Der Urmund ist daher von An- fang an sowohl an seiner vorderen als auch an seiner hinteren Lippe ringsum von Zellen umschlossen. Ueber die Beziehungen desselben sowie der Keimblätter zum Dotter wird später noch ausführlicher gehandelt werden. Jetzt nur die Bemerkung, dass mir die An- nahme eines besonderen Dotterblastoporus wenigstens überflüssig erscheint.
76
Fünftes Capitel.
saiiie Uiitersuclning dieser Verhältnisse hat sich in früheren Zeiten BiscHOFF besondere Verdienste erwürben , in den letzten Jahren Hen- SEN , LiEBEiiKiJiiN, V. Beneden , KöLLiKER Und Heape. Das hierl)ei benutzte Untersuchungsoltject, welches wir auch unserer Darstellung zu Grunde legen wollen , ist gewöhnlich das Kaninchen , ausserdem die Fledermaus und der Maulwurf gewesen.
^Yährend das Ei der Säugethiere im Eileiter durcli die Elinnuer- bewegung des Epithels langsam nach der Gebärmutter hingetrieben wird, ist es durch den Furchungsprocess in einen kugeligen Haufen kleiner Zellen zerfallen (Fig. 48 A). Darauf entsteht im Innern desselben durch Abscheidung einer Flüssigkeit eine kleine spaltförmige Furchungshöhle (Fig. 48 B). Der Keim ist somit in das Blasen- oder Blastulastadium
Fig 48. Optische Querschnitte eines Kanincheneies in zwei unmittelbar auf die Furchung folgenden Stadien nach Ei>. van Bknedkn. Copie aus Balfour's Entwieklungs- gescliichte.
A. Aus der Furchung entstandener solider ZeUenhaufen.
B Entwickhing der Keimblase , indem sich im Zellenhaul'en eine Furchungshöhle ausbildet. (Nach der Deutung von v. Beneden bedeutet ejJ Epiblast , h>/ Hypoblast, l>2) Blastoporus )
eingetreten. Die Wand der Keimblase oder Vcsicula l)lastodermica wird, Avie schon seit Bischoff's Arbeiten bekannt ist, aus einer einzigen Lage mosaikartig angeordneter polygonaler Zellen gel)ildet, einen kleinen Bezirk ausgenommen. Hier ist die Wand wie bei der Keimblase der Amphibien durch einen Haufen etwas körnchenreicherer und dunklerer Zellen verdickt, die einen in die Furchungshöhle weit vorspringenden Höcker bedingen.
Für die weitere Entwicklung der Säugethiere ist nun vor Allem der Umstand l)esonders characteristisch , dass sich bei ihnen wie bei keinem anderen Wirbelthiere die Keimblase durch Zunahme von Flüs- sigkeit, die viel Eiweiss enthält und bei Zusatz von Alkohol körnig gerinnt, ausserordentlich vergrössert (Fig. 49) und bald einen Durch- messer von 1,0 mm gewinnt. Natürlich ist in diesen Wachsthumsvor- gängen auch die Zona pellucida (zp) verändert und zu einem dünnen Häutchen ausgedehnt worden. Ihr liegt eine schon von den Wandungen des Eileiters ausgeschiedene Gallertschicht auf.
Die Wand der Keimblase ist an den 1 ninchen sehr dünn geworden. Die in einfacher Schicht angeordneten mosaikartigen Zellen haben sich stark al)geplattet. Auch der in die Furchungshöhle vorspringende Zellenhöcker hat sich umgewandelt und
mm grossen Eiern vom Ka-
Entwicklung der beiden primären Keimblätter (Gastraeatheorie). 77
sich mehr und mehr in die Fläche zu einer scheibenförmigen Platte ausgebreitet, welche sich mit zugeschärftem Rand allmählich in den verdünnten Wandtheil der Keimblase fortsetzt. An der Platte spielen sich die weiteren Entwick- lungsprocesse in erster Linie
ab. Ihre oberflächlichsten ^ ^^
Zellen sind zu dünnen Schüppchen , wie sie auch sonst die Wand der Blase bilden, abgeplattet, ihre an- deren zwei- bis dreifach über einander gelagerten Ele- mente dagegen sind grösser und protoplasmareicher.
Fig. 49 Kaninchenei, 70-90 Stunden nach der Befruchtung, nach Ed. V. Beneden Copie aus Ual- Fouu's Entwicklungsgsgeschichte.
bv Hohlraum der Keimblase, zp Zona pellucida , ep, hy wie in Fig. 48.
Bis hierher befindet sich di(; Keimblase der Säugethiere noch auf dem Blastulastadium. Sie besteht noch ül)erall aus einem einzigen Keimblatt. Denn die Ansicht, die von manchen Seiten aufgestellt wor- den ist, dass die Keimscheibe auf dem vorliegenden Stadium bereits zweiblätterig sei, und dass die äussere Schicht platter Zellen das äus- sere Keimblatt sei und die darunter gelegenen protoplasmareicheren Zellen das innere Keimblatt bilden, ist meiner Ansicht nach unhaltbar. Da- gegen spricht erstens die Thatsache , dass die abgeplatteten und die dickeren Zellenlagen fest zusammenhängen und auch nicht durcli den klein- sten Spaltraum von einander abgesetzt sind, und zweitens der weitere Verlauf der Entwicklung ^).
Zwei Keimblätter treten erst an Eiern auf, die schon mehr als 1 mm Durchmesser besitzen und etwa 5 Tage alt sind. An der Stelle, wo früher die Zellenplatte lag, beobachtet man bei der Betrachtung von der Fläche einen weisslichen Fleck, der anfangs rund, si)äter oval und birnförmig wird. Er wird jetzt gewöhnlich als Area embryonalis oder
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Fig. 50. Querschnitt durch den fast kreisrunden Fruchthof eines Kanincheneies von 6 Tagen und 9 Stunden; Durchmesser 0,8mm nach Balfouu.
ah, ik äusseres, inneres Keimblatt. Der Schnitt zeigt den eigenthümlichen Charakter der oberen Schicht mit einer gewissen Anzahl abgeplatteter, oberflächlicher Zellen. Es ist etwa nur die Hälfte der ganzen Breite des Fruchthofes dargestellt.
1) Bei dieser Auffassung kann ich natürlich auch nicht einer Ansicht V. Benijden's zustimmen, nach welcher die Gastrulabilduiig sich schon nach Ablauf der ersten Furchungs- stadien vollziehen soll, indem er in der anfangs soliden Zellenkugel Fig. 48 A dunklere und grössere central gelegene Elemente {hfi) als Entoderm und eine sie umhüllende Lage kleinerer und hellerer Zellen (ep) als Ektoderm, sowie eine kleine Lücke in diesem Ueber- zug als Blastoporus {hp) deutet.
78
Fünftes Capitel.
als Embryonalfleck bezeichnet. Derselbe besteht nunmehr aus 7A\()[ durch (»inen deutlichen Si)alt getrennten und von einander al)lr>s- baren Keimblättern (Fig. 50). Von diesen ist das innere Keimblatt (l/c)
eine einzige Lage stark geplatteter Zellen. g, », Das äussere Keimblatt (ak) dagegen ist er-
heblich dicker und zeigt sich aus zwei Zellen- lageu zusammengesetzt, 1) aus einer tieferen
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mente, und 2) aus einer oberflächlichen Lcagc vereinzelter platter Zellen, die von Räuber zuerst genauer beschrieben worden sind und nach ihm als Raub er 's che Schicht be- zeichnet werden. Nach den Rändern des Em- bryonalflecks zu verdünnt sich das äussere Blatt, wird einschichtig und setzt sich in die abgeplatteten grossen Elemente fort, die wir schon auf dem Blastulastadium den grössten Theil der BlasenwJind haben allein bilden sehen. Das innere Keimblatt ist anfänglich nur an einem kleinen Theil der Blasenwand, am Em- bryonalfleck und seiner nächsten Umgebung entwickelt; es hört mit einem gezackten Rande frei auf ; hier finden sich locker aneinan- der grenzende amöboide Zellen, die durch ihre Vermehrung und Ortsveränderung wohl das Weiterwachstum des Blattes bedingen. Dieses breitet sich nämlich au ältereren Eiern von dem Embryonalfleck nach dem entgegen- gesetzten Eipol langsam aus, wodurch nach und nach die ganze Keimblase zweiblätterig wird. Während dies geschieht, gehen auch Veränderungen an dem oval gewordenen und etwas vergrösserten Embryonalfleck vor sich. Die RAUBER'sche Schicht verschwindet') (Fig. 51), die unter ihr gelegenen culjischen oder kugeligen Zellen sind cjiindrisch geworden und schliessen noch dichter zusammen. Beide pri- mären Keimblätter sind jetzt nur einschichtig. Zur Illustration dieser Verhältnisse dienen die l)eiden umstehenden Figuren , w-elche ein
Figuren 7 Tage altes Kaninchenei in zwei verschiede-
nen Ansichten darstellen, von oben (Fig. 52 Ä)
Bei Betrachtung
sieht man den jetzt oval gewordenen Embryonalfleck (ag). Der- selbe ist einzig und allein bedingt durch eine Ijegrenzte Verdickung des äusseren Keimblattes und bezei('hnet die Stelle, an der die Zellen cylinderförmig sind, ent- spricht insofern dem Embryonalschild der Reptilien- und Vogelem- bryonen, und ist nicht zu verwecheln mit der Zellenplatte (Fig. 49),
1) lieber die Art und Weise wie die RAunKH'.sehe Scliicht verschwindet, bestehen zwei Ansichten. Nach Balfouk und Heapk sollen sich die platten Zellen umbilden, cylindrisch werden und zwi.schen die Cylinderzellen einlagern, nach Köli.iker dagegen sollen sie zer- fallen und verschwinden.
Entwicklung der beiden primären Keimblätter. (Gastraeatheorie. 79 Ä B
Fig 52. Keimblasen des Kaninchens von 7 Tagen ohne äussere Eihaut. Länge 4,4 mm, nacli Köllikeu. lOmal vergr.
A von oben, B von der Seite gesehen.
ag Embryonalfleck (area embryonalis) ; ge die Stelle, bis zu welcher die Keimblase doppelblätterig ist.
die als Verdickung der eiDl)lätterigen Keimblase l)eschrielicn wurde. Bei seitlicher An sieht kann man 3 Bezirke an der Keiml )lase unter- scheiden : 1) den Embryonalfleck {ag) , 2) einen die obere Hälfte der Blase einnehmenden und bis zur Linie ge reichenden Bezirk, in welchem die Wand noch zweiblätterig ist, aber die Zellen des äusseren und in- neren Keimblattes stark abgeplattet sind, und einen dritten nach ab- wärts von der Linie ge gelegenen Abschnitt, wo die Blasenwand nur von dem äusseren Keimblatt gelnldet wird.
Es erhebt sich jetzt die wichtige Fi-age, in welcher Weise sich l)ei den Säugethieren die zweiblätterige aus der einl)lätterigen Ausgangsform entwickelt hat. In Beantwortung der- selben glaube ich die Hypothese auf- v stellen zu dürfen, dass die Gastrula- l)ildung in ähnlicher Weise wie bei den
ülu'igen Wirbelthieren durch eine Ein- \
stülpung oder Einwanderung von Zellen geschieht, die von einem l)estimmten Bezirk der verdickten Zellenplatte der Keimblase ausgeht. Genau beobachtet ist ein solcher Vorgang noch nicht; doch l)ieten die Embryoualflecke auf etwas späteren Stadien Verhältnisse dar, welche ganz an die oben beschrie- benen, an Vogel- und Reptilieneiern gewonnenen Befunde erinnern.
Am hintersten Ende des nun l)irn- förmig gewordenen Embryonalflecks p^ V-
Fig. 53. Birnförmiger Embryonalfleck eines '"'' -V y
Kanincheneies von 6 Tagen und 18 Stunden . /
nach KÖLLiKER. ^^p'
2?s Kurzer Primitivstreifen, /t?« Sichelförmiger Endwulst. V, H Vorderes, hinteres Ende. ■"
80 Fünftes Capitel. Entwicklung der beiden primären Keimblätter.
(Fig. 53) ist eine etwas iiiKlurchsiclitigere, weil verdicktere Stelle ent- standen , der P'.ndwulst (Jitv) , welcher der von Kupffeu und Koller entdeckten Sichel (Fig. 45 und 47 s) ähnlich ist. Von ihrer Mitte ent- wickelt sich nach vorn ein kleiner Fortsatz, die erste Andeutung des Primitivstreifens {j^s). Auf diesem Stadium ist von Heape und ehenso neuerdings von v. Beneden an Medianschnitten (Fig. 54) im Endwulst
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Fig. 54. Medianschnitt durch die Embryonalanlage eines Maulwurfeies und zwar durch den Theil , in welchem sich der Primitivstreifen zu bilden begonnen hat (nach IIeapk).
u Urmund ; ah, ik äusseres, inneres Keimblatt. V, H vorderes, hinteres Endo.
eine kleine Oeffnung (tt) nachgewiesen worden, welche von beiden als Urmund gedeutet wird und welche der Sichel- rinne der Vögel vergleichbar ist. Hier hängen die beiden primären Keimblätter untereinander zusammen, sowie von hier und dem Primi tivstreifen aus auch das mittlere Keimblatt seinen Ursprung nimmt. Von dieser Stelle aus, nehme ich an, hat sich schon auf einem frühe- ren Stadium das untere Keimblatt durch Umschlag der sich verdünnenden und in die Fläche ausbreitenden Z e 1 1 e n 1) 1 a 1 1 e des K e i m b 1 a s e n s t a d i u m s entwickelt.
Eigenthümlich für die Gastrulabildung der Säugethiere ist haui)t- sächlich der eine Umstand, dass die sich einstülpende Membran keinen geschlossenen Blindsack darstellt, sondern einen freien Rand besitzt, mit welchem sie an der Innenfläche des äusseren Keimblatts hinwuchert bis zur vollständigen Umwachsung der Keimblase. Der Mangel eines ventralen A])schlusses aber wird verständlich, wenn wir uns die Dotter- masse, die bei den meroblastischen Eiern oder bei den Amphibieneiern den Boden der Urdarmhöhle ausmacht, rückgebildet und vollständig geschwunden denken. In diesem Falle müssen Urdarmhöhle und Fur- chungshöhle in einander übergehen , wie es bei den Säugethieren der Fall ist.
Zu der Annahme aber, dass bei den Eiern der Säugethiere eine Rückbildung eines ursi)rünlich reiclieren Dottergehaltes stattgefunden hal)en müsse, werden wir durch viele Erscheiiuiiigen ihrer Entwick- lung veranlasst, die ohne diese Annahme unverständlich sein würden und die in einem späteren Capitel noch ausführlicher erörtert wt^rden sollen.
SECHSTES CAPITEL.
Entwicklung der beiden mittleren Keimblätter (Coelomtheorie) O-
Nach Ausbildung des Gastrulastadiums werden die Entwicklungs- vorgänge immer complicirter , so dass sich das Augenmerk des Beol)- achters von jetzt ab auf eine Reihe gleichzeitig und an verschiedenen Stellen der Erabryonalanlage al)laufender Veränderungen richten muss. Denn es finden jetzt Umbildungen sowohl durcli Faltungen des inneren als auch des äusseren Keimblattes nebenein- ander statt, wodurch vier neue Hauptorgane des Wirbel thierkörpers hervorgerufen werden. Aus dem inneren primären Keimblatt entstehen 1) die beiden mittleren Keimblätter, welche die Iiei1)eshöhle zwischen sich einschliessen , 2) das Darmdrüsenbhitt , welches den secundären Darm der Wirbelthiere auskleidet, 3) die Grundlage des Axenskelets, die Chorda dorsalis oder Rückensaite. Gleichzeitig entwickelt sich aus dem äusseren Keiml)latt als einziges Organsystem die Aiüage des cen- tralen Nervensystems. Da die 4 Entwicklungsprocesse zum Tlieil auf das unmittelbarste ineinander greifen, kann ihre Betrachtung nicht aus- einander gerissen werden.
Auch hier haben wir es wieder mit einer Aufgabe zu thun, welche zu den schwierigsten in der Embryologie der Wirbelthiere gehört, näm- lich mit der Entwicklungsgeschichte der l)eiden mittleren Keimblätter. Trotz einer sehr umfangreichen Literatur, welche über das Thema ent- standen ist, sind manche Verhältnisse, namentlich bei den höheren Wirbel- thierclassen noch nicht in allseitig befriedigender Weise aufgeklärt. Wir werden uns daher auch hier etwas eingehender mit diesem Gegenstand beschäftigen, der ebenso wie die Frage nach der Entstehung der beiden primären Keimblätter eine fundamentale Bedeutung für das Verständniss der Wirbelthierorganisation besitzt.
Die Darstellung des Folgenden wird uns wesentlich erleiclitcrt wer- den , wenn wir uns an dieser Stelle einen kleinen Excurs in die Ent- wicklungsgeschichte der Wir1)ellosen gestatten und einen Fall in das Auge fassen, in welchem sich die ndttleren Keimblätter und die Leibeshöhle in
1) lu den Figuren (55 — 79) sind die einzelnen Keimblätter verschieden dunkel
schattirt, um ihre Beziehungen zu einander deutlicher zu machen. Am dunkelsten ist das mittlere Keimblatt gehalten.
0. Hertwig, Entwicklungsgeschichte. 2. Aull. g
82
Sechstes Capitel.
einer ähiiliclieii, aber dabei leichter verständlichen und leichter zu unter- suchenden Weise als bei den Wirbel thieren anlegen. Das Beispiel l)i('tet uns die Entwicklung der Pfeilwürmer oder Chaetognathen , über welche uns Untersuchungen von Kowalevsky, Bütschli und mir aufgeklärt haben.
Nach dem Furchungsprocess entsteht eine typische Keimblase, die sich nach einiger Zeit wieder in eine typische Gastrula umwandelt. Während sich dieselbe in die Länge streckt, wachsen aus dem in- neren Keimljlatt am Grunde des Urdarras zwei Falten hervor, die sich in paralleler Richtung zu einander erheben (Fig. 55). Diesel- ben werden immer grösser, wobei ilu- Ursprung auch auf die ventrale
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Fig. 55.
Fig. 56.
Fig. 55. Ein Entwicklungsstadium von Sagitta nach Kowalevsky, aus Balfour's Entwicklungsgescliiclite.
Optischer Längsdurchschnitt durch eine Gastrula mit beginnender Leibeshöhlenbildung.
m Mund, al